Der Anti-Kickl

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ANALYSE. Tirols Landeshauptmann Anton Mattle profiliert sich als Vertreter einer selbstbewussten Mitte. Beziehungsweise einer ÖVP, die nicht rechtspopulistisch-türkis ist.

Die große Stärke von FPÖ-Chef Herbert Kickl ist eine zerfallende Mitte. Politisch gesehen hat er also Glück und versteht es, das auszunützen. Ohne Zustand von SPÖ und ÖVP wäre das alles nicht erklärbar. Ob sich der Zustand der SPÖ unter Andreas Babler ändern wird, ist nicht absehbar. Zu vieles muss der Mann noch klären.

In der ÖVP stehen die Zeichen auf Zerreißprobe: Karl Nehammer will – wie hier ausgeführt – sowohl Mitte als auch rechts sein. Das kommt unter anderem auch daher: Entscheidende Teile der Partei orientieren sich zunehmend unterschiedlich. Zum Beispiel „die Länder“: Niederösterreich ist mit Johanna Mikl-Leitner und der Landbauer-Koalition klar nach rechts gerückt. Oberösterreich und zuletzt Salzburg regieren ebenfalls mit Freiheitlichen. Wien würde es auch tun, wenn es könnte. Dort kopiert man deren Botschaften gerne.

Das ist das Gegenteil einer selbstbewussten Mitte, die im Falle einer ÖVP bürgerlich-konservative Züge hat. Eine solche gibt es. Man könnte sogar sagen, sie kommt wieder auf. Und zwar durch den Tiroler Landeshauptmann Anton Mattle.

Natürlich: Der Mann hat leicht reden. Dass er nach der jüngsten Landtagswahl keine Koalition mit der FPÖ, sondern mit der SPÖ eingegangen ist, begründete er damit, dass die FPÖ nur polarisiere und zur Spaltung der Gesellschaft beitrage: „Das kann ich nicht unterstützen.“ So ähnlich hat sich der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer vor „seiner“ Wahl auch geäußert. Mattle konnte das im Unterschied zu diesem schon auch durchziehen, weil die ÖVP in Tirol die meisten Stimmen nicht an die FPÖ, sondern an die SPÖ verloren hat. Aus heutiger Sicht kann man sich das kaum noch vorstellen, es ist aber so gewesen (laut SORA-Wählerstromanalyse). Zur Rückgewinnung verlorener Wählerinnen und Wähler war es für sie daher naheliegender, schwarz-rote als schwarz-blaue Politik zu machen.

Das muss man vorausschicken. Mehr und mehr verdeutlicht Mattle jedoch, dass ihm dumpfer Rechtspopulismus ganz grundsätzlich zuwider ist. Es ist nicht nur so, dass er sagt, dass Herbert Kickl und das freiheitliche Parteiprogramm nicht mit seiner politischen Wertehaltung in Verbindung zu bringen seien und er daher auch gegen eine Zusammenarbeit auf Bundesebene sei. Er unterstreicht es zudem durch Aussagen, die eigene Pateifreunde betreffen. Die politische Zeit von Sebastian Kurz sei vorbei, ruft er mitten in einer Phase voller Comeback-Spekulationen.

Der Zurückzahlung von Corona-Strafen, die Mikl-Leitner in Niederösterreich mitzuverantworten hat, kann er nichts abgewinnen. Mit der von Nehammer geforderten Verankerung von Bargeld in der Verfassung kann er nichts anfangen. Und die Normalitätsdebatte, die die beiden angestoßen haben, findet er überhaupt befremdlich: „Normalität ist für mich auch die Vielfalt. Damit werden wir leben. Wenn man sich die „Gesellschaft der Mitte“ anschaut, dann ist diese eine vielfältige Gesellschaft.“ Ja, dass Mikl-Leitner wissen ließ, dass es ihr um eine „schweigende Mehrheit“ gehe, lässt er nicht durchgehen: „Ich glaube nicht, dass es eine „schweigende Mehrheit“ gibt. Jeder hat die Möglichkeit, bei einer Wahl seine Stimme abzugeben – das bedeutet nicht, dass man schweigt.“

Mattle macht sich dadurch zu keinem Linken. Ein solcher ist er nicht. Praktische Politik, wie die Absicht, im Land ein Abtreibungsregister zu schaffen, unterstreichen, dass er ein Konservativer ist. Er ist aber zum bedeutendsten Vertreter einer schwarzen ÖVP geworden, die – neben den Neos – am ehesten eine bürgerliche Mitte ansprechen und es Kickl schwer machen könnte, ebendort so stark zu punkten, dass die FPÖ zumindest in Umfragen klar auf Platz eins liegt.

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