Demokratiebelastend

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ANALYSE. Was Sozialdemokraten, wie jetzt auch ein schwer gekränkter Franz Voves, mit Pamela Rendi-Wagner aufführen, ist nicht nur parteischädigend.

In der Vergangenheit, also in gewöhnlichen Zeiten, ist es vielleicht nicht so aufgefallen, wie problematisch es ist, wenn Politik von maßgeblichen Akteuren einfach nur als Spiel betrachtet wird. Wenn der aus der Zeit von Sebastian Kurz zurückgebliebene „Message Control“-Mann der ÖVP, Gerald Fleischmann, etwa „Strategisch notwendigen Unsinn“ verbreitet, um von anderen Dingen abzulenken. Damit gemeint sind Geschichten, die schwachinnig sind und lediglich dazu dienen, Medien und einer breiteren Öffentlichkeit etwas zu liefern, worauf sie sich stürzen – und dabei vergessen, auf wirklich Wichtiges zu achten.

Jetzt, da so vieles ernst wird, entwickelt sich das zu einem Bumerang: Karl Nehammer hat Fleischmann im Herbst reaktiviert, also kann man nie sicher sein, ob das, was er sagt, nicht nur „Strategisch notwendiger Unsinn“ ist und zum Beispiel helfen soll, über sicherheits- und verteidigungspolitische Blößen hinwegzutäuschen.

Zu einem unerträglichen Spiel entwickelt sich in Zeiten wie diesen auch die Endlosdebatte über die SPÖ-Vorsitzende. Was heißt Debatte? Pamela Rendi-Wagner wird aus den eigenen Reihen einfach nur permanent in Frage gestellt.

Jetzt hat sich auch noch ein schwer gekränkter Franz Voves, also der steirische Ex-Ex-Landeshauptmann, zu Wort gemeldet. Genauer: Die „Kleine Zeitung“ hat zum 70er ein Interview mit ihm geführt. Auf die Frage, ob er manchmal um Rat gefragt werde von seinen Genossen, antwortete er: „Nie. Ich durfte die SPÖ dreimal zur stimmenstärksten Partei im Land führen. Es muss doch irgendwas nicht ganz falsch gewesen sein, oder? Aber in der SPÖ hat man auf Sieger kaum gehört. Zum Franz Vranitzky habe ich zum 85. Geburtstag gesagt: Du hast immer den schönsten Krawattenknopf gehabt, aber gib zu: Lieben tut man Sieger doch wirklich nicht in unserer Partei.“

Und auf die Frage, ob er Rendi-Wagner schon einmal getroffen habe, erklärte er: „Noch nie. Den anderen schon (Ludwig, Anm.). Im Vorjahr hatten wir im Wiener Rathaus ein gutes Gespräch. Der versteht – im Gegensatz zu anderen – das, was ich in der Steiermark gemacht habe.“

Zur Erinnerung: 2005 war er als SPÖ-Kandidat attraktiv genug, um die Partei gegen eine geschwächte ÖVP auf Platz eins zu führen in der Steiermark und die angeschlagene Waltraud Klasnic als Landeshauptmann abzulösen. Das war eine Leistung, dazu gehörten aber eben auch die ÖVP und Klasnic. 2015 ist die Partei unter seiner Führung trotz massiver Verluste zwar wieder auf Platz eins gekommen, aus Sorge, dass Schwarz-Blau kommen könnte, überließ er aber Hermann Schützenhöfer (ÖVP) den Landeshauptmann, stellte damit die Weichen für Schwarz-Rot und verabschiedete sich.

Zum Zustand der Bundes-SPÖ erklärte er gegenüber der „Kleinen Zeitung“, er mache sich größte Sorgen, wie die Nationalratswahl 2024 ausgehen wird: „Für die SPÖ wird das eine der wichtigsten Wahlen seit Jahrzehnten. Wenn sie da nur Dritter wird, habe ich Angst, dass es mit der SPÖ in Richtung Kleinpartei geht. Sie muss also mindestens Zweiter werden, und eigentlich beim momentanen Umfeld normalerweise Erster.“

Gelingen könne das „nur, wenn die Wiener Landespartei mit ihrem Vorsitzenden erkennt, dass eines für den Wiener Bürgermeister nicht mehr gelten sollte: Wer unter mir Bundeskanzler ist, ist mir wurscht. Für mich ist der Michael Ludwig der Einzige in der SPÖ, der die Chance hat, die Wahl so zu absolvieren, dass man mindestens Zweiter ist oder sogar Erster. Er ist der Einzige, der in der Lage ist, die SPÖ in der Einheit ihrer Teile personell und programmatisch zu erneuern. Und damit habe ich kein einziges schlechtes Wort über eine Dame gesagt, die ich gar nicht kenne.“ Gemeint ist Rendi-Wagner.

Es ist eine Hinrichtung, wie sie auch von anderen Sozialdemokraten seit Wochen und Monaten betrieben wird. Rendi-Wagner ist als Vorsitzende erledigt. Selbst wenn sie sich noch über den Tag retten kann, ändert das nichts mehr: Morgen wird wieder ein Parteifreund daherkommen und sich zu ihren Ungunsten äußern. Womit wieder ein Tag einhergehen wird, an dem Genossinnen und Genossen mit sich selbst die Öffentlichkeit belästigen und Fragen zur Teuerung, zur Neutralität und zu vielem anderem mehr untergehen.

Man könnte zynisch feststellen, das sei vielleicht sogar besser für sie. Die Sache ist jedoch die: Es ist eine Zumutung für Bürgerinnen und Bürger, die zum Beispiel kaum noch über die Runden kommen, dass Sozialdemokraten gefühlt ausschließlich über sich reden. Das allein dürfte für viele ein Grund sein, sie nicht zu wählen und stattdessen vielleicht aus Protest die FPÖ.

Womit zum Ausdruck kommt, warum es letzten Endes auf etwas Demokratiebelastendes hinausläuft: Wenn die SPÖ als systemrelevante Partei auslässt, öffentlich wahrnehmbar Vorschläge zur Lösung großer Probleme zu machen; und stattdessen eher nur andauernd Zweifel an der eigenen Vorsitzenden laut werden aus ihren Reihen, darf man sich nicht wundern, wenn eine FPÖ, die sich hemmungslos als „Antisystempartei“ bezeichnet und auch gerne so agiert, vorne liegt. Es ist ein Beitrag dazu.

Rendi-Wagner bleibt nichts mehr anderes übrig, als zu gehen. Und Michael Ludwig, Hans Peter Doskozil, Peter Kaiser und anderen Sozialdemokraten, die ihren Niedergang durch Worte oder Schweigen mitzuverantworten haben, die SPÖ so aufzustellen, dass sie ernstzunehmende Beiträge für einen Parteienwettbewerb zur Bewältigung multipler Krisen liefern kann.

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