Parlament in Trümmern

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ANALYSE. Blümel, Pilnacek und Co. haben Stein um Stein abgetragen – die Volksvertretung ist nicht mehr, was sie sein sollte.

Es ist kein Trost, dass sich Christian Pilnacek, Sektionschef im Justizministerium, in und um den Ibiza-U-Ausschuss selbst beschädigt hat: Gerade er, der hochintelligente Mann der Rechtspflege, sollte wissen, wie man sich in Stresssituationen zusammenreißt; wie man Konflikte löst und gegen angebliche Übertretungen vorgeht. Gerade er jedoch wurde untergriffig, ja bösartig: „Der Herr Krainer (SPÖ-Abgeordneter) mampft Wurstsemmel während der Befragung. Frau Krisper (Neos) stützt bei der Befragung ihr Kinn ab und nuschelt ins Mikrofon. Man stellt sinnlose Fragen und es gibt sinnlose Antworten“, so Pilnacek gegenüber der Tageszeitung „Kurier“.

Wie gesagt, es ist kein Trost, dass er hier seinen eigenen Ruf wohl ebenso nachhaltig wie schwer ramponiert hat. Viel schlimmer ist, dass etwas hängen bleibt: Dass sich nicht wenige Bürgerinnen und Bürger in der Überzeugung bestätigt fühlen werden, dass dieser Ausschuss nur eine teure Schmierenkomödie sei. Dass hochbezahlte Abgeordnete erstens nichts Sinnvolles tun und zweitens keine Manieren haben. Ja, dass man sich fragen muss, wozu es dieses Parlament überhaupt gibt.

Sehr viele Akteure, denen das recht ist, haben dazu beigetragen, dass es so weit kommen konnte: Man könnte jetzt bei ehemaligen, auch sozialdemokratischen Regierungsmitgliedern anfangen, denen das Hohe Haus eher nur eine lästige Pflichtübung war. Bleiben wir jedoch in der Gegenwart: Die türkis-grüne Koalition hat das Parlament endgültig zu einer Art Hilfsorgan herabgestuft. Wenn überhaupt: Nicht nur coronabedingte „Notgesetze“ werden schnell, schnell durchgewunken. Dieses Husch-Pfusch ist zur Regel geworden. Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer bezeichnete es denn auch als „zynischen Sabotageakt“, als sich Bundesräte weigerten, hier mitzuspielen und auf die Bremse stiegen. Wie auch wesentliche Entscheidungen grundsätzlich nicht mehr zuerst vor dem Nationalrat verkündet werden, sondern auf Pressekonferenzen im Kanzleramt. Auch Kontrolle ist keine Angelegenheit des Parlaments mehr. Selbst wenn es um milliardenschwere Maßnahmen geht.

Und wenn sich Abgeordnete, wie nun eben im U-Ausschuss, um Kontrolle bemühen, dann passiert dies: Sie werden von Pilnacek diskreditiert. Und sie werden von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) verhöhnt: Die Beiden wollen sich an so gut wie nichts mehr erinnern. Blümel will nicht einmal wissen, ob er einen Laptop hatte. Ja, er will „aus den Medien erfahren“ haben, dass es FPÖ-Mann Peter Sidlo in den Casinos-Vorstand geschafft hat. Das ist mit einem kurzen Wort zu umschreiben, das mit L beginnt: Wenn die neue Volkspartei, in der Blümel eine zentrale Rolle spielt, etwas unter Kontrolle hat, dann die Macht. Also kann hier kein Posten ohne ihr Wissen vergeben worden sein.

Es ist nachvollziehbar, aber unverzeihlich, dass der Neos-Abgeordneten Stephanie Krisper im U-Ausschuss die Aussage entfahren ist, dass ihr „alle“ am „Oasch“ gehen würden. Wie bei Pilnacek gilt auch bei ihr, dass sie sich nicht derart hätte gehen lassen dürfen. Zumal das eben auch eine Bestätigung für die vielen Feinde des Parlaments war.

Und zumal ausgerechnet Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) das in weiterer Folge gezielt auszuschlachten versuchte; indem er Ex-Verfahrensrichterin Ilse Huber in ihrer Überzeugung bestärkte, Krisper habe mit dem Unwort sie gemeint bzw. eine Entschuldigung von der Abgeordneten verlangte.

Aber was erwartet man sich von einem Nationalratspräsidenten, der diesem U-Ausschuss vorsitzt, ohne auf die Idee zu kommen, unter anderem aufgrund der nicht gerade billigen Novomatic-Inserate in der weithin unbekannten Zeitschrift seines Alois-Mock-Vereins befangen zu sein.

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