Antiparlamentarische Unverschämtheiten

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KOMMENTAR. Sebastian Kurz war vor dem Ibiza-U-Ausschuss nicht nur respektlos gegenüber Volksvertretern, sondern damit auch gegenüber dem Souverän.

Man darf nie vergessen, dass gewissermaßen über dem politischen System Österreichs der Souverän, also die Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, steht. Und dass, weil es sich nun einmal um eine repräsentative Demokratie handelt, ihrem Parlament eine herausragende Rolle zukommt. Oder zukommen sollte: In der sogenannten Realverfassung ist das anders. Da wird das Parlament von Regierungsmitgliedern nicht als vorgesetzte Instanz betrachtet, von der sie sich unter anderem auch kontrollieren lassen müssen bzw. gegenüber der sie sich auch zu verantworten haben; nein, sie vermitteln viel eher den Eindruck, als wären Abgeordnete lediglich Vollzugsorgane, die in ihrem Sinne tätig zu sein haben.

Natürlich können sie das nur von Abgeordneten der Regierungsfraktionen erwarten. Bei allen anderen ist das unmöglich, und das lässt sie ein Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) genauso spüren wie Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP).

Sebastian Kurz hat nun auch bei seinem zweiten Auftritt vor dem Ibiza-U-Ausschuss allerhand vergessen gemacht. Nicht nur, dass er hier bei seinen Vorgesetzten, sondern auch als Auskunftsperson geladen war, die Fragen nach bestem Wissen und Gewissen und in einer Art und Weise zu beantworten hat, wie man es tut, wenn man den Umständen entsprechende Umgangsformen verinnerlicht hat.

Ausgerechnet Sebastian Kurz, der einem Kirchenvertreter wörtlich „Vollgas“ geben lässt, gab sich im Ausschuss besorgt über den politischen Diskurs. Bei den Abgeordneten gebe es zunehmend offene Ablehnung und „Hass“, behauptete der 34-Jährige: Er sei sich vorgekommen „wie ein Schwerverbrecher“.

Man stelle sich vor, ein Vorstandsvorsitzender tritt vor den Aufsichtsrat und äußert sich so wie es der Bundeskanzler vor dem Parlament tut: Es ist undenkbar. Kurz verwehrt hier dem Parlament, dessen Vertrauen er benötigt, jeglichen Respekt. Er würdigt es herab und diskreditiert es. Das ist auch eine Unverschämtheit gegenüber dem Souverän.

PS: Bemerkenswert ist nebenbei, dass der ÖVP-Chef, dessen Partei immer wieder unterstellt, der U-Ausschuss sei ein Tribunal, plötzlich fordert, dass ein Richter Befragungen durchführen soll. Durchschaubares Ziel: Abgeordnete sollen entmachtet werden. Wie schon durch die Forderung, die ausgerechnet Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) ursprünglich erhoben hat, wonach Auskunftspersonen nämlich der Wahrheitspflicht entbunden werden sollten. Damit wäre der Ausschuss überhaupt nur noch zum Krenreiben.

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