ANALYSE. Die Wien-Wahl wird die ÖVP-Krise verschärfen. Will er als Bundesobmann überleben, muss Reinhold Mitterlehner einen Befreiungsschlag setzen. Und das kann er nur gemeinsam mit den Freiheitlichen.
Nach der oberösterreichischen Landtagswahl ist ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner missverstanden worden: Er hat nie von Neuwahlen auf Bundesebene geredet, sondern dem Koalitionspartner ausgerichtet, dass es so nicht weitergehen könne: „Wenn wir nicht in nächster Zeit – damit meine ich die nächsten Monate – deutlich beweisen, dass wir regieren wollen und können, dann macht es keinen Sinn, auf Dauer weiterzuwursteln. Dafür stehe ich nicht zur Verfügung.“ Dass er damit (in einem Interview mit den Oberösterreichischen Nachrichten) eine Neuwahldrohung ausgesprochen hat, wurde ihm in den Mund gelegt.
Von Neuwahlen reden würde Mitterlehner selbst wohl kaum.
Von Neuwahlen reden würde Mitterlehner selbst wohl kaum: Zu fahrlässig wäre das. Im besten Fall würde die ÖVP Platz zwei erreichen, um den Preis allerdings, dass sie noch ein paar Prozentpunkte weniger erreicht als beim letzten Mal. Womit Mitterlehner geschwächter Vizekanzler bliebe.
Nein, das macht keinen Sinn. Doch der ÖVP-Chef muss handeln: In Wien droht seiner Partei ein einstelliges Ergebnis. Nach Oberösterreich wäre das ein weiteres Debakel innerhalb weniger Wochen. Über kurz oder lang hat er also nur zwei Möglichkeiten: „Weiterzuwursteln“ und sich nach dem Vorbild seiner Vorgänger allmählich demontieren zu lassen. Oder einen fliegenden Wechsel zu Schwarz-Blau bzw. Blau-Schwarz anzustreben.
Die Richtung dorthin ist ja schon eingeschlagen.
Die Richtung dorthin ist ja schon eingeschlagen. ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopakta hat dem Team Stronach mehrere Abgeordnete abgeworben. Holt er die restlichen sechs auch noch, verfügt Schwarz-Blau im Nationalrat über eine satte Mehrheit von 95 (zu 88) Abgeordneten.
In Oberösterreich werden voraussichtlich am kommenden Montag die Weichen für Schwarz-Blau gestellt: Vor allem Wirtschaftsvertreter bedrängen Landeshauptmann Josef Pühringer, sich auf einen Pakt mit den Freiheitlichen einzulassen. Michael Strugl, einer seiner potenziellen Nachfolger, hat sich bereits offen dafür ausgesprochen.
Entscheidend wären dann die NEOS.
Bleibt abzuwarten, was am Sonntag in Wien passiert: Hält die rot-grüne Mehrheit, hat die ÖVP ein Problem. Fällt sie, dann tun sich ganz neue Chancen für sie auf: Dann wird ein Bürgermeister Heinz-Christian Strache (FPÖ) zumindest rechnerisch möglich. Entscheidend wären dann die NEOS. Deren Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger hat zwar ausgeschlossen, Strache zum Stadtoberhaupt zu machen; Amtsinhaber Michael Häupl hat sie zuletzt aber mehr oder weniger deutlich unterstellt, ein korruptes System zu führen. Soll heißen: Wenn sie weder Strache noch Häupl unterstützt, wäre das für die ÖVP schon sehr viel.
Ein Bürgermeister Strache würde einen fliegenden Wechsel auf Bundesebene zu einem Kanzler Mitterlehner jedenfalls erleichtern. Längerfristig würde Strache seine Chancen auch auf dieses Amt damit wahren – und kurzfristig könnte Mitterlehner die letzte Chance der Volkspartei wahrnehmen, ihren Untergang abzuwenden.