Landeshauptleute machen’s schlimmer

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ANALYSE. Ausgerechnet diejenigen, die mitverantwortlich sind für den Zustand der Bundespolitik, beginnen, sich davon zu distanzieren.

Die Landeshauptleute Markus Wallner (Vorarlberg) und Christopher Drexler (Steiermark) stehen vor Landtagswahlen, die voraussichtlich im Herbst stattfinden werden. Das merkt man. Genauer: Sie bringen es dadurch zum Ausdruck, dass sie anfangen, sich von einer Bundespolitik zu distanzieren, die Stimmen kosten könnte. „Wo sind wir eigentlich angekommen?“, fragt Wallner in einem VN-Interview angesichts des Debattenniveaus in Wien rhetorisch.

Drexler geht in einem Interview mit Bundesländerzeitungen viel weiter; und zwar mit einer Aussage, die bemerkenswerterweise kaum wahrgenommen wird: „Wenn es so weitergeht, wird dem Bundespräsidenten nichts anderes übrig bleiben, als noch einmal eine Expertenregierung anzugeloben.“ Botschaft: Eine Bankrotterklärung für eine unsägliche Politik.

Schon klar: Zu vieles lässt zu wünschen übrig. Verantwortlich dafür zeichnen letztlich aber auch die Landeshauptleute. Besonders in der föderal organisierten Volkspartei ist es ja so, dass die Bundesebene eher nur eine Summe von Landes- und Bündeorganisationen darstellt. Sie haben 2017 etwa Sebastian Kurz ermächtigt, zu tun und zu lassen, was ihm gefällt. Dazu gehörte, wie man später erfuhr, die Bereitschaft, ein Bundesland aufzuhetzen gegen Überlegungen, einen Rechtsanspruch auf Nachmittagsbetreuung für Kinder einzuführen genauso wie die Aufforderung an Thomas Schmid, einem unliebsamen Kirchenvertreter „Vollgas“ zu geben.

Landeshauptleute waren es zwar, die 2021 Konsequenzen zogen und Kurz verabschiedeten. In jenem Herbst wirkten sie aber auch schon an einer der verhängnisvollsten Entscheidungen der jüngeren österreichischen Politik mit: Auf einer ihrer Konferenzen sorgen sie dafür, dass eine Coronaimpfpflicht eingeführt wird. Man kann annehmen, dass das ein Booster für FPÖ-Chef Herbert Kickl war, von dem er bis heute profitiert.

Man kann umgekehrt Landeshauptleute zwar nicht für Kickl verantwortlich machen, sich aber wundern darüber, dass Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) einen Corona-Versöhnungsprozess initiierte und nicht sie; aufgrund der Impfgeschichte wäre das eher eine Bringschuld von ihnen gewesen.

Im Übrigen muss einem Nehammer nicht leidtun. Seine Möglichkeiten sind jedoch begrenzt. Er ist quasi nur Geschäftsführer. Die Chefs sitzen in den Ländern und in den Bünden. Selbst wenn er von sich aus eine Neuausrichtung der Volkspartei auf eine Mitte der Gesellschaft hin vornehmen möchte, zumal sie ja überwiegend kein Interesse daran zeigen, könnte er nicht weit kommen. Insbesondere Johanna Mikl-Leitner (Niederösterreich) verhagelt ihm zu vieles. Sie ist zu einem so großen Teil gesamte ÖVP, dass daneben wenig geht. Durch ihre Zusammenarbeit mit Udo Landbauer (FPÖ) macht sie jede Distanzierung von Kickl ein Stück weit unglaubwürdig: Warum soll Kickl ein Problem sein, wenn Landbauer keines ist? Ihr Fokus auf eine Art Gegeneinander sowie Provinzialität durchkreuzt zudem allfällige Versuche, die Volkspartei als Brückenbauerin darzustellen, die europäisch tickt.

Wenn Landeshauptleute jetzt aufgrund ihrer Sorge, bei Landtagswahlen zu verlieren, auch noch anfangen, so zu tun, als wäre die Bundespolitik hoffnungslos verkommen, dann machen sie vieles nur noch schlimmer: Dann täuschen sie nicht nur über ihre Mitverantwortung über ihre Partei hinweg, sondern bestätigen Kickl. Schließlich ist er es, der im Kern mit genau dieser Erzählung daherkommt und auch erfolgreich ist: „Das System“ sei nicht mehr zu retten, es sei daher Zeit für einen Volkskanzler, aufzuräumen.

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