Dammbruch

ANALYSE VON JOHANNES HUBER FÜR VIENNA.AT. Nach der Oberösterreich- ist vor der Wien-Wahl. Vielleicht wird Strache noch nicht Bürgermeister. Früher oder später werden ihm solche Erfolge jedoch gelingen, wenn seine Mitbewerber weiterhin so hilf- und ambitionslos agieren. 

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ANALYSE VON JOHANNES HUBER FÜR VIENNA.AT. Nach der Oberösterreich- ist vor der Wien-Wahl. Vielleicht wird Strache noch nicht Bürgermeister. Früher oder später werden ihm solche Erfolge jedoch gelingen, wenn seine Mitbewerber weiterhin so hilf- und ambitionslos agieren.

Sollte noch irgendein Politiker auf die Idee kommen, zu erklären, die oberösterreichische Landtagswahl sei eine Regionalwahl und denn auch als solche zu behandeln, dann ist ihm nicht mehr zu helfen. Es handelt sich nämlich um den vorläufigen Höhepunkt eines Dammbruchs, der ein Zweiparteiensystem endgültig wegspült: Seit der Landtagswahl in Salzburg vor zwei Jahren verlieren SPÖ und ÖVP in einem Ausmaß, das weit über das hinausgeht, das es in den 90ern im Zuge des freiheitlichen Aufstiegs unter Jörg Haider erreicht hat.

Heute gibt es nur noch zwei Länder, die als Hochburgen der Altparteien angesehen werden können. Niederösterreich, wo die Volkspartei unter Erwin Pröll nach wie vor absolut regiert und Wien, wo die Sozialdemokraten mit Bürgermeister Michael Häupl an der Spitze ebenfalls tun und lassen können, was sie wollen.

Dass – wie Josef Pühringer in Oberösterreich – auch ein Urgestein wie Michael Häupl diese Entwicklung nicht aufhalten kann, zeigt, wie dramatisch die Lage auch für die SPÖ ist. 

Doch am 11. Oktober wird auch die rote Bundeshauptstadt der Vergangenheit angehören, zu stark werden die Freiheitlichen dort werden. Dass – wie Josef Pühringer in Oberösterreich – auch ein Urgestein wie Michael Häupl diese Entwicklung nicht aufhalten kann, zeigt, wie dramatisch die Lage auch für die SPÖ ist.

Die Freiheitlichen müssten im Grunde genommen nichts tun, außer die Wählerinnen und Wähler immer wieder darauf hinzuweisen, wie unsicher und schwierig die Zeiten geworden sind. Gerade angesichts der Flüchtlingswelle. Sie hat ja gerade noch gefehlt: In Vergessenheit ist geraten, dass wir schon seit längerem eine Rekordarbeitslosigkeit haben. Und dass die Löhne derer, die einen Job haben, real nicht mehr steigen. Und dass man nicht einmal mehr darauf vertrauen kann, dass die Währung sicher ist; zu oft ist von der Euro-Krise die Rede.

SPÖ und ÖVP haben dem nichts entgegenzusetzen. Was in der Sache natürlich oft schwer bis unmöglich ist (die Flüchtlingskrise etwa lässt sich nicht in Österreich allein lösen). Einem Werner Faymann, einem Reinhold Mitterlehner oder eben einem Michael Häupl kann das aber nicht den Vorwurf ersparen, dass sie die Sorgen und Nöte der Gesellschaft ignorieren und mit den Menschen nicht tagtäglich darüber reden, wo die Probleme sind und wie man die Herausforderungen angehen könnte.

Vor diesem Hintergrund also steht die Wien-Wahl in zwei Wochen an. Umfragen dazu sind nicht mehr notwendig. Das Ergebnis ist so oder so absehbar. Heinz-Christian Strache kann sich zurücklehnen und die Mitbewerber können sich überlegen, was sie noch tun können. Viel ist es nicht.

Auch die Warnung vor Strache verschärfen bringt nichts mehr: In Oberösterreich war der freiheitliche Triumph absehbar und die Leute haben umso zahlreicher blau gewählt. 

Häupl kann die erwähnten Defizite in den wenigen Tagen nicht wettmachen. Auch die Warnung vor Strache verschärfen bringt nichts mehr: In Oberösterreich war der freiheitliche Triumph absehbar und die Leute haben umso zahlreicher blau gewählt. So ähnlich wird das in Wien sein. Häupl kann also nur noch versuchen, irgendeine Überraschung zu liefern, die vieles überdeckt. Dazu anbieten würde sich so etwas wie die Bestellung eines Christian Kern zum Finanzstadtrat. Ob dieser angesichts der jüngsten Entwicklungen noch in die Politik will, ist allerdings fraglich.

In der Bundeshauptstadt brennt auch bei den Grünen der Hut. Dass sie in Zeiten wie diesen, wo es vor allem auch um Menschenrechte geht, nicht vom Fleck kommen, sollte ihnen ein Alarmsignal sein. Das Ruder herumreißen werden aber auch sie in den verbleibenden Tagen nicht mehr können. Am Tag nach der Wien-Wahl werden sie sich allerdings überlegen müssen, ob sie ihren Kurs ändern oder als Wohlfühlpartei mittelfristig untergehen wollen.

Apropos untergehen. Von der ÖVP muss gerade nach Oberösterreich natürlich auch die Rede sein.

Apropos untergehen. Von der ÖVP muss gerade nach Oberösterreich natürlich auch die Rede sein. In Wien wird sie unter Umständen nicht einmal mehr von jedem Zehnten gewählt werden. Sie wird also bedeutungslos. Wobei bemerkenswert ist, dass sie mit Manfred Juraczka ein ähnliches Profil hat wie die Bundespartei unter Mitterlehner: Keines nämlich. Heute so, morgen so. Ein bisschen Flüchtlingshilfe, ein bisschen Flüchtlingsabwehr. Je nach Lust und Laune bzw. Orientierungslosigkeit.

Die NEOS haben für Wien bereits die letzte Rakete gezündet. Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger hat ihr Nationalratsmandat diese Woche aufgegeben, um zu unterstreichen, dass sie es wirklich ernst meint mit ihrer Ansage, in den Gemeinderat einziehen zu wollen. Das war bemerkenswert. Irgendwie muss aber auch den Leuten um Matthias Strolz zu denken geben, dass sie es kaum schaffen, vom Niedergang der Volkspartei zu profitieren. Bei der Nationalratswahl 2013 ist ihnen das gelungen; ihr Einzug ins Hohe Haus ist vor allem diesem Umstand zu verdanken. Doch dieser Effekt ist abgeklungen. Heute steht die ÖVP noch schlechter da – und die NEOS heben nicht ab.

Heinz-Christian Strache kann sich also zurücklehnen. Gut möglich, dass er noch nicht gleich Bürgermeister von Wien wird. Oder gar Bundeskanzler. Früher oder später wird er eine der beiden Funktionen jedoch übernehmen – wenn seine Mitbewerber weiterhin so hilf- und ambitionslos agieren.

> Dieser Beitrag ist zunächst auf VIENNA.AT erschienen.

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