Türkise Inseratenpolitik, grüne Inseratenpolitik

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ANALYSE. Bundeskanzleramt und Klimaschutzministerium könnten sich in der Verteilung kaum stärker unterscheiden: Einmal mehr, einmal weniger für den Boulevard.

Vor einem halben Jahr hat Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) eine neue Inseratenpolitik angekündigt. Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) soll sich seither darum kümmern. Ergebnis liegt noch keines vor. Die Vorgaben von Nehammer sind klar: Es soll nachvollziehbar werden, warum wo inseriert wird. Immerhin gehe es um Steuergeld.

Der Handlungsbedarf ist erheblich. Das zeigt ein Vergleich zwischen der Praxis des Bundeskanzleramtes und des Klimaschutzministeriums im Zeitraum von Jänner 2021 bis März 2022. In den fünf Quartalen, für die Angaben in der offiziellen Medientransparenz-Datenbank vorliegen, die auf einer Seite der FH Joanneum aufbereitet sind, wies das ÖVP-geführte Kanzleramt ein Gesamtvolumen von 23 Millionen Euro aus. Ein Grund dafür ist, dass darin auch alle wesentlichen Informationskampagnen der Regierung zur Coronapandemie enthalten sind.

Ein anderer Grund ist, dass die österreichische Regierung grundsätzlich mehr inseriert als etwa die deutsche oder die eidgenössische. Im Endeffekt handelt es sich damit um ein viel wirkungsvolleres Instrument der Medienpolitik als etwa im Rahmen der klassischen Presseförderung (ihr Volumen belief sich im vergangenen Jahr auf 8,9 Millionen Euro). Das Inseratenvolumen des Klimaschutzministeriums, das von Leonore Gewessler (Grüne) geführt wird, belief sich in den fünf Quartalen auf etwas mehr als fünf Millionen Euro.

Wenn man bedenkt, dass es in der Regel wohl um Fragen geht, die für alle Menschen in Österreich von Bedeutung sind, ist die unterschiedliche Verteilung nach Tageszeitungen bemerkenswert: Beim Kanzleramt entfiel ein Viertel auf die „Kronen Zeitung“, „Österreich – oe24“ und „Heute“ sowie ein Zwanzigstel auf „Die Presse“ und „Der Standard“. Bei den Boulevardtiteln handelte es sich in Summe um 5,8, beim Qualitätssegment um 1,2 Millionen Euro. Im Falle des Klimaschutzministeriums sind dagegen Summen (eine halbe Million Euro) wie Anteile (knapp zehn Prozent) jeweils gleich groß.

In Relation zur Anzahl der Leserinnen und Leser ist die Verteilung beim Kanzleramt fairer als beim Klimaschutzministerium. Besonders die „Kronen Zeitung“ hat eine viel größere Reichweite als „Presse“ und „Standard“. Weil es sich aber eben auch um ein Instrument der Medienförderung handelt, ist das ein Kriterium, das nur bedingt von Relevanz sein kann. Besser wäre es, mit Inseraten auf ein Volumen zurückzufahren, wie es international in Demokratien üblich ist, und die Medienförderung so auszuweiten, dass Journalismus im Sinne informierter Bürgerinnen und Bürger gestärkt wird.

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