Regierungsinserate-Meister

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BERICHT. An Österreich kommt wohl kein Land heran. In der Schweiz wird auch in der Pandemie viel weniger für Informationskampagnen aufgewendet.

Der jüngste Bericht darüber, dass das Bundeskanzleramt im Lichte der Pandemie allein im ersten Quartal dieses Jahres 8,90 Millionen Euro für Inserate ausgegeben bzw. für die Medientransparenzdatenbank gemeldet hat, stieß auch auf Kritik. Begründungen im Sinne von Sebastian Kurz (ÖVP) reichten davon, dass diese Form der Presseförderung gerade in der Krise für einzelne Verlage überlebenswichtig gewesen sei; bis hin zur Erklärung, dass es in der Jahrhundertkrise einen erhöhten Informationsbedarf gebe.

Beiden Argumenten muss entgegengetreten werden. Erstens: Zur Existenzsicherung von Medien gibt es Förderungen wie die Presseförderung, die auf gesetzlicher Grundlage und nicht willkürlich vergeben wird. Die Presseförderung ist im Krisenjahr erhöht worden. Bei noch größerem Bedarf hätte man sie stärker erhöhen können. Das wäre sauber gewesen. Aber nein, man setzte lieber auf Inserate. Beim News-Verlag sieht man, was damit einhergeht: eine Art Gegengeschäft, wonach Inserate von der Berichterstattung abhängig gemacht werden. Vom Finanzministerium, das in diesem Fall gemeint war, wird dies zurückgewiesen, der Verlag bleibt dabei.

„Mit Geben und Entziehen von aus Steuergeld finanzierten Inseraten werden Medienunternehmen belohnt, sediert oder bestraft“, so Horst Pirker, Mehrheitseigentümer der Verlagsgruppe News (VGN), im „Standard“. Das sei für Österreich nicht gänzlich neu, noch jede Regierung der jüngeren Vergangenheit habe das mehr oder weniger versucht. „Die erste Eskalation gab es in der Regierung Faymann.“ Unter Sebastian Kurz habe diese Strategie aber noch einmal „eine neue Dimension erreicht“.

Doch zurück zu den Begründungen für exorbitante Werbebudgets. Stichwort „Informationsbedarf“: Das ist zum größeren Teil lediglich ein Vorwand. Auch in der Pandemie wirbt ja nicht nur das Kanzleramt. Im ersten Quartal 2021 meldete beispielsweise das Finanzministerium weitere zwei Millionen Euro für Inserate, wie der Seite medien-transparenz.at zu entnehmen ist.

Nehmen wir jedoch an, die Aufwendungen des Kanzleramts seien ausschließlich der Pandemie und damit einhergehendem Informationsbedarf geschuldet; diese Annahme entspricht auch dem Hinweis, dass in Österreich diese Kampagnen übers Kanzleramt durchgeführt werden und es daher ein so großes Gesamtvolumen erreiche. dieSubstanz.at hat die Pressestelle der eidgenössischen Regierung am vergangenen Donnerstagabend per Mail gebeten, mitzuteilen, ob sie Corona-Informationskampagnen laufen habe und wie viel sie dafür allenfalls aufwende.

Antwort aus dem zuständigen Innenministerium am Freitagnachmittag: „Bereits seit dem 27. Februar 2020 wendet sich das Schweizerische Bundesamt für Gesundheit BAG mit der Informationskampagne „So schützen wir uns“  an die Bevölkerung, um die Verbreitung des neuen Coronavirus zu bremsen. Das Ziel der Kampagne ist der Schutz der Bevölkerung vor der durch das neue Coronavirus verursachten Krankheit Covid-19. Die Kommunikationsmassnahmen dienen dazu, dass die Bevölkerung um die Bedrohung durch das Coronavirus Bescheid weiss und die mit der Covid-19-Pandemie verbundenen Auswirkungen und Massnahmen versteht. Das BAG motiviert die Bevölkerung, die Massnahmen zum Selbstschutz und zum Schutz von anderen anzuwenden.“

Im vergangenen Jahr seien für diese Kampagne in Print- und anderen Medien 11,7 Millionen Franken aufgewendet worden. Das sind umgerechnet 10,70 Millionen Euro. Zum Vergleich: 2020 meldete das österreichische Kanzleramt allein 20,99 Millionen Euro für Inserate; wobei diese Meldungen erst ab einem Schwellenwert von rund 5000 Euro pro Medium und Quartal vorgeschrieben sind.

2021 kam das Kanzleramt nun bis März auf die erwähnten 8,90 Millionen Euro. In der Schweiz kostete die Informationskampagne von Jänner bis Mai 3,5 Millionen Franken, also rund 3,2 Millionen Euro. Das ist nur etwa ein Drittel. Beziehungsweise bewegt sich dieses Volumen auf Monate umgelegt etwa in der Größenordnung, auf die das Finanzministerium von Gernot Blümel (ÖVP) in der österreichischen Regierung sozusagen nebenbei kommt.

Nachtrag. Deutschland wendete laut einem Bericht des Redaktionsnetzwerkes RND bzw. einer parlamentarischen Anfragebeantwortung im vergangenen Jahr ingesamt 15,7 Millionen Euro für Corona-Informationskampagnen auf. Die Finanzierung sei aus dem laufenden Budget des zuständigen Bundespresseamtes erfolgt.

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