ANALYSE. In Teilen der Bevölkerung ist der Unmut über die geplante ORF-Abgabe groß, entlädt sich, was sich gegen Medien aufgestaut hat – und von der zuständigen Ministerin befeuert wird.
Kaum hatte das Parlament auf seiner Internetseite den Ministerialentwurf für eine „ORF-Reform“ bereitgestellt, lagen auch schon mehr als 300 Stellungnahmen vor. Das erinnert ein bisschen an die Corona-Impfpflicht, es scheint ebenfalls zu einer extrem starken Polarisierung zu kommen. „Lehne jegliche Zwangszahlungen für den ORF ab!“, schreibt beispielsweise eine Frau Magaretha K. „Ich bin nicht bereit einen Beitrag für einen Sender zu entrichten, der keine objektive Berichterstattung durchführt. Ich möchte Medien frei wählen können. Zwangsbeiträge zu erheben ist absolut undemokratisch“, betont eine Frau Bärbel F. „Der ORF sollte vollständig privatisiert werden und sich selbst finanzieren“, meint wiederum ein Herr Alfred S.
FPÖ-Chef Herbert Kickl weiß, welches Potenzial dieses Thema hat. Er schlachtet es hemmungslos aus. Für seine Zeit als „Volkskanzler“ hat er am 1. Mai zwei Maßnahmen angekündigt: „Zuerst sperren wir die Asylantenheime zu, und dann machen wir den Wahnsinn mit der ORF-Abgabe rückgängig.“ Seine Anhänger sind schon weiter. Auf seiner Maikundgebung brüllen sie einen ORF-Reporter nieder und skandieren „Lügenpresse!“
ÖVP-Medienministerin Susanne Raab, die verantwortlich zeichnet für den Umstieg von der Rundfunkgebühr auf eine niedrigere, aber generelle Haushaltsabgabe von 15,30 Euro pro Monat, nimmt in Kauf, dass sich hier etwas entlädt an Journalismus im Allgemeinen und jenem des ORF im Besonderen. Sie hat jedenfalls kein Plädoyer für dessen Stärkung oder auch nur zu dessen Verteidigung gehalten. Wohl ahnend, dass das aufgrund des Vorhabens wichtig wäre.
Das vorliegende Gesetz ist in Verbindung mit den Erläuterungen eher dazu angetan, zu glauben, dass Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Senders zu viel verdienen und im schlimmsten Fall sogar käuflich sind. Es handelt sich also um eine große Bösartigkeit.
Vorgesehen ist eine Offenlegung von Gehältern, ab 170.000 Euro brutto pro Jahr sogar namentlich sowie „einschließlich von Bezügen aus Nebenbeschäftigungen“. Begründet wird dies damit, dass mit der Beitragspflicht für alle Haushalte ein erhöhtes Informationsbedürfnis einhergehe und dass die Unabhängigkeit der Mitarbeiter „von anderen Medien und von wirtschaftlichen Lobbys“ wichtig sei: „Insofern erscheint es nicht unvertretbar, aus dem Umfang der Einkünfte aus Nebenbeschäftigungen im Verhältnis zum Einkommen beim ORF auf potentielle Abhängigkeitsverhältnisse gegenüber Dritten zu schließen.“
Dieses „Nicht unvertretbar“ lässt darauf schließen, dass Raab und ihre Legisten das Gewissen plagt: Sie legen wieder einmal zweierlei Maß zum Vorteil von Parteien und Politikern bzw. Nachteil anderer an. Transparenz wäre ja grundsätzlich wichtig, warum gibt es sie in diesem Ausmaß aber nicht auch zum Beispiel für Nationalratsabgeordnete oder Bürgermeister? Warum wird daran nicht einmal gedacht? Nicht nur die Tatsache, dass sie aus Steuermitteln bezahlt werden, würde auch bei ihnen genauere Angaben rechtfertigen bzw. notwendig machen, wenn Gleiches für alle gilt. Es geht vor allem auch darum, dass viele von ihnen Entscheidungen für Massen treffen und es dabei schon sehr relevant wäre, zu wissen, in welchem Ausmaß sie von wem potenziell abhängig sind.
Für Nationalratsabgeordnete ist vor rund zehn Jahren eine Transparenzliste geschaffen worden. Zuverdienste müssen hier nur nach Kategorien angegeben werden. Das Maximum endet bei „mehr als 12.000 Euro brutto pro Monat“, kann also 12.001 Euro oder auch ein Vielfaches davon bedeuten.
Der Punkt bei alledem ist: Wenn Transparenz aus Prinzip hochgehalten werden würde, dann würde es schon seit vielen Jahren kein Amtsgeheimnis, sondern eine ernstgemeinte Informationsfreiheit geben. Und dann würde man jetzt nicht nur beim ORF so weitreichende Offenlegungen vorsehen – also unterstellen, dass allein er etwas zu verbergen habe.
Im Übrigen würde man als Beitrag zur Unabhängigkeit des ORF den Stiftungsrat entparteipolitisieren. Aber daran zeigt Raab kein Interesse. Die Leute, die auf einem ÖVP-Ticket in diesem Gremium sitzen, haben die absolute Mehrheit. Und die ÖVP ist ihre Partei.