Kickls Diener

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ANALYSE. Die FPÖ-Chef auf dem Weg zum selbsternannten „Volkskanzler“, der Recht biegt, wie es ihm gefällt. Letzte Bürgerliche in der ÖVP, die Wahlen verlieren und nach rechts fallen. Aktuell: Wilfried Haslauer. Und eine Sozialdemokratie, die sich nicht traut, in entscheidenden Fragen abzuweichen.

Die Umfragen sind schon mehrere Monate alt, und ja, man hat gelernt, mit Umfragen umzugehen. Aber in der Steiermark sollte man nicht zu viel darauf setzen, wer bei der Landtagswahl im kommenden Jahr vorne liegen wird. Möglich ist alles: Dass sich nicht einmal mehr eine Mehrheit für eine „große“ Koalition ausgeht, die durch ÖVP und SPÖ gebildet wird; und dass die FPÖ zur stärksten Partei aufsteigt. 2015 war es bereits sehr knapp geworden, lagen diese drei Parteien innerhalb von zweieinhalb Prozentpunkten.

Sollte es so kommen, fährt der Zug weiter Richtung Schwarz- bzw. Türkis-Blau. Landeshauptmann Christopher Drexler (ÖVP) würde sich dann schwertun, noch ein bisschen schwarz zu bleiben. Bei ihm weiß man sowieso nicht. Aber: Der Druck, mit den Freiheitlichen zusammenzugehen, würde groß werden für ihn und als Geschwächter würde er wohl klein beigeben.

In Niederösterreich sind die Schwarzen voll ins Türkise gekippt und eine Koalition mit extrem Rechten eingegangen. In Salzburg stehen sie kurz davor: Wilfried Haslauer, der eher noch bürgerlich-liberal ist als es Johanna Mikl-Leitner jemals war, wirkt verloren.

Man mag ihm glauben, dass er hinter Marlene Svazek (FPÖ) wirklich Herbert Kickl (FPÖ) sieht und er eigentlich unter gar keinen Umständen ein Bündnis mit ihr eingehen möchte. Er hat jedoch eine schwere Wahlniederlage zu verantworten. Seine Persönlichkeitswerte sind schlecht und haben dazu beigetragen. In der Partei ist er daher angezählt, Bürgermeister scheren sich nicht um das, was er will, sondern fordern öffentlich Schwarz-Blau.

Vor allem aber hat er sich selbst ein Bein gestellt, indem er die SPÖ einlud, an einer Drei-Parteien-Koalition mit ÖVP und FPÖ mitzuwirken. Das hätte ihm vielleicht alles einfacher gemacht, wäre aus sozialdemokratischer Sicht jedoch dumm gewesen: Aufgrund der Mehrheitsverhältnisse hätten sie nicht dabei sein müssen. Darauf würde es jedoch ankommen. Sonst wären sie, die weniger mit ÖVP und FPÖ verbindet als diese beiden miteinander, immer wieder nur übriggeblieben. Hätten sie sich außerdem die eigene Erzählung bundesweit durchkreuzt, keine Zusammenarbeit mit der FPÖ im Allgemeinen und der Kickl-FPÖ im Besonderen zu wollen. Insofern konnten sie nur Nein sagen.

Jetzt riskiert Haslauer, sich selbst zum Dummen zu machen: Er ist der FPÖ ausgeliefert, sie kann ein Regierungsprogramm diktieren, wie sie es in Niederösterreich getan hat. Er hat keine Alternative, die er – vor allem auch in den eigenen Reihen – noch durchbringen könnte.

Die Kickl-FPÖ nimmt keine neuen, aber immer schärfere Züge. Herbert Kickl selbst hat gerade wieder schwadroniert, ein „Volkskanzler“ werden und „die Eliten vom hohen Ross herunter holen“ zu wollen. Der Mann ist sich seiner Sache sicher. Wer soll ihn noch aufhalten?

Der Begriff Volkskanzler ist eine Kampfansage, die man ernst nehmen sollte. Er soll Kickl ermächtigen, sich über alles hinwegzusetzen. Im deutschen Verfassungsblog gibt es einen Text mit dem Titel „Ein Volkskanzler“. Zitat: „Es sei der Souverän, sagt er, der die Macht in seine Hände gelegt habe: das deutsche Volk. Vor dieser Entscheidung empfinde er tiefen Respekt, genauso wie vor dem Grundgesetz. Er sei der verfassungsmäßig gewählte Bundeskanzler. Und von nichts und niemand werde er sich daran hindern lassen, die in ihn gesetzten Hoffnungen zu erfüllen.“

Durch nichts und niemanden.

Wer behauptet, fürs Volk zu agieren, tut das, um maximalen Handlungsspielraum zu erhalten. Auch für Autoritäres: Die ORF-Haushaltsabgabe will er rückgängig machen. Das würde dann auf eine Budgetfinanzierung nach Gutdünken Regierender, eventuell also eines Kabinetts Kickl, hinauslaufen. Und Asylverfahren würde er abschaffen. Kickls Stimmungsmacher auf seiner Maifeier, der oberösterreichische LH-Stellvertreter Manfred Haimbuchner, unterstützt „Pushbacks“ und null Asylanträge.Vorbild: einmal mehr Ungarn. Was auf eine „Teilaufkündigung“ von Menschenrechten hinauslaufen würde. Wobei morgen eine weitere folgen könnte und übermorgen die nächsten. Der Volkskanzler wird schon einen Weg finden. Schlag nach bei Viktor Orbán.

Der Wahnsinn ist, dass für so vieles der Weg bereitet wird. ÖVP-Klubobmann August Wöginger hat im vergangenen Jahr gemeint, dass man die Europäische Menschenrechtskonvention überarbeiten sollte. Das war kein Ausrutscher, er wollte sich bei FPÖ-Wählern andienen. Später hat er diesbezüglich insofern nachgelegt in einem ORF-Report-Interview, als er meinte, dass für seine Partei eine Koalition mit der Kickl-FPÖ wieder möglich wäre.

Die dritte größere Partei, die SPÖ, schließt eine solche zwar aus unter Führung von Pamela Rendi-Wagner, lässt sich durch Kickls Populismus jedoch treiben, wie es Türkise tun: Sie unterstützt das Schengen-Veto. Sie traut sich nicht, zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine einen ernsthaft klaren Kurs zu fahren. Und in der Klimapolitik wagt sie es nicht einmal, Tempo 100 auf Autobahnen zu fordern.

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