ORF macht sich für Kickl fertig

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ANALYSE. Zu glauben, man könne so harmlos werden, dass man einem „Volkskanzler“ gefällt, ist erstens naiv und zweiten gefährlich.

SPÖ-Klubobmann Philip Kucher ist noch nicht oft aufgefallen, vor zwei Wochen aber hielt er eine vielbeachtete Rede. Es ging um das Journalismusverständnis von FPÖ-Chef Herbert Kickl, der den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán kopieren und „Volkskanzler“ werden möchte: In der wundbaren Welt des Herbert Kickl gebe es außer FPÖ-TV keine Medien mehr, so Kucher: „Keinen Journalismus, der den armen Herbert mit so etwas wie Fakten plagt. Niemand mehr, der ihm kritische Fragen stellt.“ Einen Eindruck davon bekomme man, wenn man einen Blick auf FPÖ-TV werfe. Dort stelle sich Kickl regelmäßig kritischen Fragen. Zum Beispiel: „Was ist das Geheimnis deines Erfolgs, Herbert Kickl?“ Oder: „Die FPÖ braucht nicht Angst haben vor den anderen Parteien, oder?“

Das Ganze ist nicht lustig. Der ORF, der bei weitem nicht nur aufgrund der Haushaltsabgabe zu Journalismus im Sinne aufgeklärter Bürgerinnen und Bürger verpflichtet ist, sondern allein schon, weil es seinem gesetzlichen Auftrag entspricht, arbeitet daran, sich für einen allfälligen Volkskanzler fertig zu machen. Im Sinne von Zurechtrichten.

Die Angst ist groß. Kickl verachtet Journalismus und damit auch den ORF, weil gerade er eine bedeutende Plattform dafür bildet. Hämisch hat er, Kickl, schon wissen lassen, dass er einen „Grundfunk“ daraus machen werde. Journalistinnen und Journalisten bezeichnet er als „getarnte Politikakteure“, die das Programm „für Propaganda gegen die FPÖ missbrauchen“ würden. Wo Journalismus gemacht wird, ortet er gerne „Systemmedien“. Zuletzt hat er das auf dem freiheitlichen Neujahrstreffen getan, auf dem er politische Mitbewerber auf eine „Fahndungsliste“ setzte und als „Volksverräter“ bezeichnete.

Man weiß also, was kommt, wenn Kickl kommt. Und beim ORF glaubt man, dass alles halb so schlimm wird, wenn man sich bemüht, Kickl nicht zu reizen. Vielleicht lässt er dann ja doch ein bisschen mehr als einen Grundfunk stehen, so die Mutmaßung.

Bemerkenswert ist, dass das vor allem auch von nicht-freiheitlichen Stiftungsräten betrieben wird. Im vergangenen Jahr hat bereits SPÖ-Vertreter Heinz Lederer einen „knallharten Codex“ inkl. Twitter- bzw. X-Beschränkungen für ORF-Mitarbeiter gefordert. Jetzt hat der bestimmende ÖVP-Mann Thomas Zach nachgelegt: „Es braucht klare Regeln mit klaren Konsequenzen.“ Zumal dieses (Super-Wahl-)Jahr für den ORF ein „extrem wesentliches, wenn nicht entscheidendes Jahr“ werde: „Wir können heuer beweisen, dass wir mit unseren neuen Möglichkeiten das leisten können, was von uns erwartet wird: öffentlich-rechtlicher Rundfunk in höchster Qualität.“

Klingt gut. Der Haken: Kickl und viele seiner Fans, die Journalismus und Journalist:innen genauso verachten wie Wissenschaften und Wisenschaftler:innen, verstehen unter „öffentlich-rechtlichem Rundfunk in höchster Qualität“ gefällige Berichterstattung. Pragmatiker der Macht wiederum verstehen darunter etwas, womit auch Kickl leben kann. Sie sagen sich nämlich: „Mag sein, dass er wie Orbán tickt, aber er hat 30 Prozent der Wähler hinter ich – und daher muss man sich mit ihm arrangieren.“

Zugespitzt formuliert wird man Armin Wolf und Co. vor diesem Hintergrund vorschreiben, dass sie an Tagen wie diesen auf X künftig einen schönen Valentinstag wünschen dürfen und sich im Übrigen überlegen müssen, wie man zum Beispiel „ausgewogen“ über die Aschermittwochrede von Kickl berichten könnte, die abends auf dem Programm steht. Das ist diesem Verständnis nach ihr Job. Auf X haben sie exakt gar nicht ernsthaft zu sein.

Das ist jedoch absurd: Ein Journalist, eine Journalistin, ist eine politische Person. Sie muss lästig sein. Insbesondere gegenüber Mächtigen. 24/7. Ihr das verbieten zu wollen, zeugt von maximalem Unverständnis, ja auch Grundrechts- und Demokratiefeindlichkeit.

Im Übrigen ist das, was hier läuft, erstens naiv und zweitens gefährlich: Man kann Journalismus nicht so verbiegen, dass Kickl findet, er sei okay. Wenn, dann kann man nur Hofberichterstattung liefern. Das ist das, was er sich erwartet – und das, was er bei so viel vorauseilender Unterwürfigkeit am Ende gar nicht mehr groß durchsetzen muss, weil dann längst schon alles in seinem Sinne eingeleitet sein wird.

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