Eine glatte Lüge

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ANALYSE. Die „Wiener Zeitung“, die weiterhin so heißen, künftig aber ausschließlich eine Website sein wird, baut Journalismus ab. In Aussicht gestellt worden ist etwas anderes.

Damit es nicht untergeht und der Vollständigkeit halber auch hier festgehalten ist: Vor Pfingsten wurde der Redaktion der „Wiener Zeitung“ der Kurt-Vorhofer-Preis verliehen. Da ist eine der höchsten journalistischen Auszeichnungen hierzulande. Vorhofer, 1995 verstorben, war innenpolitischer Redakteur der „Kleinen Zeitung“.

Bei der Feier, die aufgrund der bevorstehenden Einstellung der ältesten noch erscheinenden Tageszeitung der Welt eher eine Trauerfeier war, sprach Redakteursrat Gregor Kucera folgende Worte: „Die Einstellung der gedruckten „Wiener Zeitung“ und ihre Transformation in ein digitales Produkt braucht zwar auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber nicht mehr so viele – nein, das stimmt nicht, wurde beruhigt: Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können im neuen Produkt mitarbeiten. Ich hatte heute vor rund fünf Stunden ein solches Gespräch. Man bot mir folgenden Job im neuen Produkt an – eine einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses. Das bekamen heute einige. Eine glatte Lüge.“

Mit Lüge ist gemeint, dass Koalitionsvertreter von Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) bisher immer so getan haben, als würde die „Wiener Zeitung“ nur in eine digitale, bessere Zukunft transferiert werden. „Wir wollen die „Wiener Zeitung“ erhalten, aber in einer Form, die dem Zug der Zeit entspricht“, sagte Raab nach einem Ministerrat im vergangenen November.

Die ÖVP-Abgeordnete Michaela Steinacker erklärte in der Nationalratsdebatte vor der Beschlussfassung, mit dem neuen Geschäftsmodell werde „ein Überlebensakt gesetzt“: „Nur digital ist nachhaltig.“ Und: Die „hochqualitativen Beiträge“ der Zeitung könnten auch online erscheinen. Allein: Wenn man sich von hochqualifizierten Journalist:innen trennt, bleibt das eine bewusste Irreführung der Öffentlichkeit.

Es wird unmöglich für die „Wiener Zeitung“, ihr Niveau zu halten. Was möglicherweise beabsichtigt ist und die ganze Sache nur noch übler macht: Dass ÖVP und Grüne zum Schluss kommen, die Zeitung als Zeitung einstellen zu müssen, ist das eine. Das sie so tun, als werde sich journalistisch nichts ändern, ist eher sogar das Schlimmere. Weil in Wirklichkeit das (zumindest) weniger wird, was die „Wiener Zeitung“ ausmacht: Insbesondere aktuelle, demokratiepolitisch wichtige Berichte, Analysen und Kommentare. Das gibt es dann auch digital nicht mehr.

Vor diesem Hintergrund nach absurder mutete die Aussage der grünen Mediensprecherin Eva Blimlinger in der Parlamentsdebatte an, für die sie sich wenig später zwar entschuldigte – aber nur in Bezug auf den historischen Vergleich, nicht auf das Übrige. Zitat: „Vor 78 Jahren haben sich KPÖ, ÖVP, SPÖ und einige Unabhängige im Wiener Rathaus zusammengefunden, um die Unabhägigkeitserklärung zu unterzeichnen. Mauthausen war zu diesem Zeitpunkt noch nicht befreit, aber Wien war durch die Rote Armee befreit. Und wie dieser Neuanfang war, genauso ist es heute mit einem Neuanfang für die älteste Tageszeitung der Welt, so leid es mir tut. Es ist ein Neuanfang. Es ist ein Weg in die Zukunft.“

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