Babler hat nichts mehr zu verlieren

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ANALYSE. In der Bundesregierung für Medien zuständig, könnte der SPÖ-Vorsitzende zum Systembruch schreiten, den er einst gefordert hat. Den Boulevard hat er ohnehin gegen sich und Wien nur begrenzt hinter sich.

Der Chefredakteur der „Kronen Zeitung“ bleibt konsequent. Wieder hat er sich in seinem Guten-Morgen-Newsletter Vizekanzler und SPÖ-Chef Andreas Babler gewidmet. Man kommt mit dem Zählen kaum nach. Diesmal wählte er die Bildsprache: In der Überschrift heißt es, dass es kein Vertrauen in die Politik gebe, auf dem Foto dazu ist im Vordergrund groß Babler zu sehen. Nicht Kickl zum Beispiel, dem mit Abstand die meisten Menschen in Österreich misstrauen. Sondern Babler.

Bei Boulevardmedien wie der „Krone“ sowie „Heute“ sei der Traiskirchner „vom Start weg unten durch“, hat dieSubstanz.at wenige Tage nach dessen Wahl zum SPÖ-Vorsitzenden im Juni 2023 geschrieben. Zu den Gründen kann man bloß Mutmaßungen anstellen: Als Linker gehört Babler nicht nur einer Minderheit an in Österreich, er polarisiert auch sehr. Das bedeutet, dass sich Quote machen lässt ihm oder besser: gegen ihn. Außerdem ist er für Vermögenssteuern. Dichands sind gegen Vermögenssteuern. „Krone“ und „Heute“ profitieren zudem auch stark von öffentlichen Inseraten.

Das war auch einmal so ein Thema von Babler. 2021, als der SPÖ-Vorsitz noch kein Thema war für ihn, hat er gesagt, dass durch Medienkooperationen, also Inserate, Macht organisiert werde. Ja, dass hier ein Systembruch notwendig wäre.

Umso mehr könnte er heute als Medienminister zu einem solchen schreiten: Er hat nichts mehr zu verlieren. Der Boulevard ist nach wie vor gegen ihn. Und die Stadt Wien bzw. die dortige Sozialdemokratie unter Führung von Bürgermeister Michael Ludwig hat er nur begrenzt hinter sich. Beispiel: Während er die Teuerung zum Problem erklärt, hebt sie Ticketpreise für öffentliche Verkehrsmittel um mehr als ein Viertel an. Politisch schlicht rücksichtslos.

Die Stadt Wien hat die meisten Medienkooperationen getätigt im vergangenen Jahr, wie der Transparenzdatenbank zu entnehmen ist. Das Volumen der Inseratenvergaben lag mit fast 24 Millionen Euro über jenem der Bundesregierung bzw. aller Ministerien zusammen, obwohl diese ungleich mehr Menschen (neun Millionen vom Boden- bis zum Neusiedlersee) zu erreichen haben. Auch der Rechnungshof sieht „Sparpotenzal bei kostenintensiven Medienschaltungen der Stadt“.

Hier geht es aber nicht so sehr um schlichtes Sparen, als um einen notwendigen Systembruch: Diese Woche hat der „Standard“ mitgeteilt, dass er Personal abbauen müsse. Eine Zeitung, die für Qualitätsjournalismus steht. Bei einem Medienminister könnten die Alarmglocken läuten, er könnte das zum Anlass nehmen, festzustellen, dass es fünf vor zwölf sei und zu einem Mediengipfel rufen: Schluss mit der Inseratenwillkür und nicht nur Kürzungen ebendort, sondern zugleich auch eine Neuaufstellung und eine Ausweitung von Medienförderungen. Zum Beispiel: Umleitung der gut 75 Millionen Euro, die allein Bund und Länder inkl. Stadt Wien im vergangenen Jahr für Inserate ausgegeben haben, dorthin.

Eine Neuaufstellung erscheint notwendig, weil etwa die geplante Zeitungs-Abo-Förderung aus der Zeit gefallen ist. Man stärkt Medien nicht, wenn man um 30 Millionen Euro pro Jahr Abos für junge Leute finanziert. Pferdekutschen hätte man auf diese Weise auch nicht gerettet. Man stärkt Medien eher, wenn man ihnen zielgerichtet 30 Millionen Euro gibt, damit sie sich so weiterentwickeln, dass sie junge Leute erreichen und möglichst nachhaltig zu Rezipienten machen.

Wie das gehen soll? Ein paar Medienwissenschaftler und -ökonomen würden ruckzuck Antworten liefern. Man müsste nur wollen und sie darum bitten.

Derlei ist bisher auch an der Logik gescheitert, von der Medienpolitik in Österreich ausgeht: Der Boulevard muss immer auch etwas davon haben. So lange es dabei bleibt, kann man zum Beispiel schwer Qualitätskriterien im Sinne des Ehrenkodex der Presse zur Voraussetzung für die Gewährung von Förderungen machen bzw. pro Verurteilung durch den Presserat einen Abzug vornehmen; so lange das so ist, zählt eher nur das Gesamtgewicht des Papiers, das eine Zeitung bedruckt.

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