Kurz so, Babler anders

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ANALYSE. Im Unterschied zum ehemaligen Bundeskanzler ist der neue SPÖ-Vorsitzende bei den Boulevardmedien „Krone“ und „Heute“ vom Start weg unten durch.

Angeblich gibt es in St. Pölten ein „Geheimdossier“ gegen den neuen SPÖ-Vorsitzenden, wie krone.at (ohne Ortsangabe) bestätigt. Was dafür spricht: Im Text liefert das Medium der größten Zeitung des Landes einen Inhalt daraus. Andreas Babler hat demnach als Mitte 20-jähriger Landessekretär der Sozialistischen Jugend gegen die katholische Kirche geschrieben, die damals in der Diözese St. Pölten unter Führung von Bischof Kurt Krenn gestanden ist. Titel des Babler-Textes: „Scharfer Krenn“. Und im Inhalt mobilisiert er unter anderem gegen das Kruzifix in Schulklassen. Zitat: „Wenn’s euch stört, nehmt es ab! Handschuhe verwenden – Ansteckungsgefahr. Nicht im Klassenzimmer verbrennen – schlechte Luft, eventuell giftige Gase.“

Politische Relevanz des dümmlichen Ganzen heute? Man erfährt es nicht, krone.at macht sich nicht die Mühe, das herauszuarbeiten. Boulevard-Schwester heute.at strengt sich diesbezüglich kaum mehr aus. „Aufgedeckt“, titelte es vergangene Woche, als sei es selbst darauf gekommen: „Exekution gegen neuen SPÖ-Chef Babler.“ Konkret: Er, der von neuen Steuern spreche, sei seit März des vergangenen Jahres Mühlgebühren in Höhe von 285,48 Euro schuldig geblieben. Und? Zu einer Exekution ist es offenbar nicht gekommen, Babler berichtet, den Rückstand, „nachdem mir dieser bekannt war, sofort beglichen“ zu haben.

Wenn man ahnt, wie Österreich funktioniert, weiß man: Die beiden Medien, die mit öffentlichen Inseratengeldern gefüttert werden und denen laut jüngstem „Digital News Report“ überdurchschnittlich viele Menschen kein Vertrauen schenken, bleiben sich selbst treu. Sie schreiben rauf und runter, wie es ihnen gefällt.

Bei Sebastian Kurz gab es zu Beginn seiner ÖVP-Obmann- und Kanzlerschaft keine vergleichbaren Texte. Im Gegenteil: Die Ö1-Mediensendung „Doublecheck“ berichtete unlängst nach einem Blick ins „Heute“-Archiv, die Artikel über den Shooting-Star seien 2017/2018 „durch die Bank positiv“ gewesen: „Kurz mit Kindern, charmanter Kurz bei Merkel, erster Ball als Kanzler, Kurz beim Promi-Friseur, Kurz in der Holzklasse im Flieger nach Brüssel, Kurz bei großem RTL-Jahresrückblick in Deutschland, Kurz wechselt der Witwe von Alois Mock eine Glühbirne“.

Das ist nicht lustig. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft hat den Verdacht, dass es bei den drei Boulevardmedien „Heute“, „Krone“ und „Österreich“ unter Kurz eine Verbindung zwischen Inseraten und wohlwollender Berichterstattung gab. Dadurch sei „die wesentliche Funktion der Presse als Public Watchdog (…) völlig untergraben“ worden. Die drei Medien weisen die Vorwürfe zurück.

Treppenwitz: Als Finanzminister im Kabinett von Kurz hat Hartwig Löger (ÖVP) eigentümmliche Medienbeobachtung auf Steuerzahlerkosten durchführen lassen. Einer solchen Analyse ist zu entnehmen, durch wen wie viel positiv über ihn berichtet worden sei. In einer detailierten Auswertung aus dem Jahr 2018 ganz vorne lagen „Krone“, „Heute“ und „Österreich“ – deutlich vor „Kurier“, „Standard“ und „Presse“. Und: Insgesamt wurde auch für Kurz eine positive Berichterstattung festgestellt. Wobei man bis heute nicht weiß, warum das Finanzministerium das erheben ließ. Kurz war ja Bundeskanzler. Anderes Ressort.

Wesentlicher ist dies: Die Boulevardmedien, die – vgl. „Digital News Report“ – nicht mehr viel Ruf zu verlieren haben, kennen offenbar eher nur „Campaigning“, wenn es um etwas Wichtiges geht. Entweder „Dirty“ bzw. „Negative“ oder halt „Positive“. Journalistisch notwendig wäre hingegen eine harte inhaltliche Auseinandersetzung – heute mit Babler, gestern mit Kurz.

Wie das beim SPÖ-Vorsitzenden enden wird, ist offen. Er wird sich wohl auf noch mehr gefasst machen müssen. Auch weil er schon vor zwei Jahren einen Systembruch gefordert hat, indem Macht nicht weiter durch Medienkooperationen gepflegt wird. Sollte er jemals die Gelegenheit erhalten, damit ernst zu machen und Inseratendeals zu beenden, wären Titel, die davon abhängig sind, in ihrer Existenz gefährdet.

Wie es bei Sebastian Kurz kam, ist klar. Ihm hat man schöne Geschichten gewidmet und nicht auf die Finger geschaut. Er hat mit Sprüchen wie „Sparen im System“ jahrelang blenden dürfen. Schlimmer: Er hat zum Beispiel gegen die Kirche ernst gemacht und als mächtiger Kanzler seinem damaligen Helfer Thomas Schmidt einem Vertreter der Bischofskonferenz lustvoll „Vollgas geben“ lassen. Nicht als Mitte 20-Jähriger Parteijugendfunktionär wohlgemerkt, sondern als über 30-jähriger Regierungschef der Republik Österreich.

Doch nicht einmal das war für Eva Dichand, Herausgeberin von „Heute“, weiter schlimm. Als er Anfang Dezember 2021 zurücktreten musste, sah sie keine politische Notwendigkeit dafür, sondern empörte sich ausschließlich darüber, dass es ohne Anklage und Verurteilung dazu gekommen ist. Für „unsere Demokratie“ sei derlei „nicht das beste Zeichen“, schrieb sie und bezeichnete Kurz noch immer als „großes Talent“.

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