ANALYSE. Nachdem Medienministerin Raab die Einstellung der Wiener Zeitung in die Wege geleitet hat, kümmert sie sich um den Österreichischen Rundfunk. In Verbindung mit einem schwachen Chef ebendort verheißt das nichts Gutes.
In den 2010er Jahren ist die damalige Beamtin Susanne Raab Sebastian Kurz über den Weg gelaufen. Das war wegweisend für ihre weitere Karriere. Kurz setzte sie vor allem für das ein, was er unter Integrationspolitik verstand. Weit kam sie damit als Ministerin allerdings nicht. Bei der „Krone“ scheiterte sie mit dem Versuch, zu problamtisieren, dass in Wien sehr viele Kinder eine andere Umgangssprache als Deutsch haben. „Bei Ihnen klingt Mehrsprachigkeit immer so als wäre sie in Problem“, erwiderte eine Redakteurin in einem Interview: „Man könnte sie als Integrationsministerin auch als Ressource sehen.“
Raab ist nach wie vor zusätzlich für Medien zuständig in der Regierung. Hier pflegt sie auch mehr als ein Jahr nach dem Rücktritt von Sebastian Kurz dessen Geist: Kritischer Journalismus? Die Wiener Zeitung, die einen solchen auf bemerkenswert hohem Niveau pflegt, wird eingestellt. Das hat die Ministerin gerade eingeleitet.
Jetzt kommt der ORF dran. Hier war die Erleichterung über eine andere ÖVP unter Karl Nehammer nur von überschaubarer Dauer. Nehammer hat sich Gerald Fleischmann als Berater geholt. Das war der oberste Message Controller unter Kurz und das ist er seit Herbst auch für dessen Nachfolger.
Mitte Jänner ging der Kanzler ins ZIB2-Studio. Aber nicht, um sich einer Auseinandersetzung mit seiner Politik zu stellen, sondern um Moderator Martin Thür anzugreifen. Genauer: Nicht Thür, sondern Journalismus im Allgemeinen und den ORF im Besonderen.
Für die weitere Umsetzung ist Raab zuständig. Sie lässt den ORF seit Monaten wissen, dass das „Geld nicht auf den Bäumen“ wachse. Nebenbei ignoriert sie Chats, die zeigen, wie über den Stiftungsrat schamlos Parteipolitik gemacht wird im Öffentlich-Rechtlichen. Eine Reform des Stiftungsrates lehnt sie mit dem seltsamen Argument ab, dass eine solche nicht im Regierungsprogramm stehe.
Und nebenbei ignoriert sie auch die blau-gelbe Affäre: Die niederösterreichische ÖVP von Johanna Mikl-Leitner hat im ORF über den ehemaligen Chefredakteur Robert Ziegler mutmaßlich Wunschkonzert gespielt, wie etwa die bürgerliche „Presse“ berichtete. Dass die damals wahlkämpfende Landeshauptfrau die ganze Sache als interne Intrige im ORF abtat, war nicht gut, aber nachvollziehbar. Dass Medienministerin Raab dazu schweigt, lässt tief blicken: Wie beim Stiftungsrat hat sie kein Problem damit, wie der ORF missbraucht wird; wie HörerInnen und SeherInnen, die Anspruch auf ein unabhängiges Programm haben, im Grunde genommen betrogen werden. Es wäre ihre Pflicht, sich hier einzuschalten.
Lieber lässt sie Stehsätze über den Boulevard verbreiten, die so klingen, als würden sie von Gerald Fleischmann stammen. Es geht um die ORF-Finanzen. „Es braucht endlich einen ORF-Rabatt für die Österreicher“, ließ Raab am Wochenende etwa über „Krone“ und „Exxpress“ wörtlich wissen. Wie das schon klingt. So populistisch, wie es gemeint ist: Der ORF soll nicht mehr Geld erhalten, sondern weniger. Und die Regierung will das dann als Entlastung der SteuerzahlerInnen verkaufen.
Das kennt man. Gespart wird bei den anderen. Beim ORF oder bei den Sozialversicherungen. Aber nicht bei sich selbst. Die Parteienförderung wird etwa selbstverständlich indexiert. Wie es auch bei Pensionen, Sozialleistungen und vielem anderem gemacht wird. Ist ja klar.
Und natürlich ist auch klar, dass der ORF sparen muss, wo es möglich ist. Aber: Raab geht es bei alledem nicht um einen journalistisch starken ORF. Sie will einen schwachen. Das lässt ihr Schweigen zu den Vorgängen im Stiftungsrat und in Niederösterreich erahnen.
Wichtiger: Raab hat gute Chancen, damit durchzukommen. Auch Nehammer will einen schwachen ORF, wie ihn schon Kurz wollte. Unterschied: Die ÖVP hängt in den Seilen. Sie braucht mehr denn je einen dienenden ORF. Und sie hat es dort mit einem Generaldirektor zu tun, für den Gerald Fleischmann einst lobbyiert hat, damit er zu seiner Funktion kommt. Roland Weißmann ist da eine verhängnisvolle Schwachstelle. Er hat öffentlich noch keinen Satz zusammengebracht, der dem Ernst der Lage gerecht wird. Das heißt was.
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