ANALYSE. Die Außenpolitik ist so unglücklich wie die eine oder andere Botschafter-Bestellung und Äußerung des Ressortchefs.
Was für Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein bei den Grünen gilt, trifft auf Außenminister Alexander Schallenberg bei der ÖVP zu: Politiker wird er keiner mehr. In der Vergangenheit ist das nicht aufgefallen. Erst in seinen 56 Tagen als Bundeskanzler im vergangenen Herbst wurde das deutlich, weil er erstmals voll wahrgenommen wurde. In diese Zeit fiel der unbedachte Entschluss, mit Februar die Impfpflicht einzuführen, trieb Schallenberg die Polarisierung unter anderem mit der Aussage voran, dass er „mit dem Finger“ auf FPÖ und MFG zeigen wolle. Gerade aus dem Munde eines Diplomaten war das doch einigermaßen überraschend.
Immerhin: Berufsziel des 52-Jährigen war es nie, Politiker zu werden. Er war und ist Sebastian Kurz-Vertrauter durch und durch. Nur dass Kurz jetzt halt weg und er sozusagen übriggeblieben ist. Dabei hätte er für diesen sogar den Statthalter an der Regierungsspitze gemacht, war er doch ausdrücklich davon überzeugt, dass an den Vorwürfen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft nichts dran ist.
Jetzt ist er schon seit mehr als zwei Monaten wieder Außenminister, eine Position, zu der er wie selbstverständlich wieder zurückgekehrt ist. Kann man machen. Der Würde des Amtes wird das aber nicht gerecht. Andererseits passt es zum System Kurz, das selbst die Funktion der Nationalratspräsidentin gerne auch als Kurzparkzone missbrauchte (Elisabeth Köstinger durfte sie bis zur Regierungsbildung 2017 für 39 Tage bekleiden).
Und das eben auch einen Botschafterjob vergibt, wie’s gefällt: Für die rot-weiß-rote Vertretung in Berlin hatten sich 14 Kandidatinnen und Kandidaten beworben. Bestellt hat Schallenberg eine 15. Person, nämlich Nur-Wenige-Tage-Außenminister Michael Linhart. In einem ZIB2-Interview darauf angesprochen, war ihm das peinlich. Der Form halber soll das Auswahlverfahren zugunsten von Linhart nun noch einmal durchgespielt werden (was sich dieser nicht verdient hat).
In diesem ZIB2-Interview verglich Schallenberg im Übrigen die Ukraine mit Österreich 1938: „Wir haben doch 1938 am eigenen Leib erlebt, wie es ist, wenn man alleine gelassen wird.“ Was seinen Angaben zufolge missverständlich aufgenommen wurde: „Was ich gemeint habe, ist natürlich überhaupt nicht den Opfermythos Österreichs, ganz im Gegenteil. Es gab viel zu viele Menschen am Heldenplatz, die gejubelt haben damals.“ Vielmehr habe er die „massiven Anstrengungen“ Ende 1937, Anfang 1938 gemeint, die sich „um eine internationale Reaktion, internationale Solidarität“ bemühten.
Das Problem ist, dass Schallenberg gerade auch in kritischen Zeiten wie diesen eine Außenpolitik zu verantworten hat, die in der Ukraine-Krise unberechenbar ist. Zunächst hatte man sich gegen Sanktionen gegen Russland gewehrt, die auch die Nord-Stream-2-Pipeline umfassen. Dann machte sich Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) gegenüber dem Nachrichtenportal „Politico“ wichtig und erklärte, man unterstütze „auf jeden Fall Sanktionen bis einschließlich Nord Stream und natürlich Gas“. Schließlich verstärkte Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) das und sprach sich im „Standard“ für maximale Sanktionen aus, sollten russische Truppen in der Ukraine einmarschieren: „Österreich ist und bleibt militärisch gesehen ein neutrales Land, aber wir sind politisch nicht neutral bei einem eindeutigen Bruch von Völkerrecht, bei einem Landraub in Europa.“ Das war immerhin klare, unmissverständliche Parteinahme.
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