Österreich? Abgemeldet

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ANALYSE. Wiens Umgang mit der Ukraine-Krise ist beschämend. Beziehungsweise Ausdruck eines Durchwurstelns durch das Weltgeschehen.

„In den letzten Stunden ist das eingetreten, was wir auf der einen Seite befürchtet und auf der anderen Seite erwartet haben: Die Situation hat sich nach der gestrigen Rede von Präsident Putin massiv verschärft. Nach der Anerkennung der Unabhängigkeit der selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk und der Entsendung sogenannter Friedenstruppen stehen die Zeichen leider immer mehr auf Konfrontation.“

Hier sprach kein Chronist, sondern Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) nach einer Sitzung des Krisenkabinetts zur aktuellen Lage in der Ukraine-Krise. Die Verwechslung ist möglich, kommt ersteres doch in die Nähe der Rolle, die Österreich einnimmt: Beobachten, kommentieren, sich durchwursteln und schauen, dass letzten Ende auch innenpolitisch etwas herauszuholen ist. Aktive Außen- geschweige denn Neutralitätspolitik, wie sie im geltenden Regierungsprogramm ausdrücklich beschworen wird? Keine Spur.

Dem Krisenkabinett gehören auch Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) und Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) an. Schramböck hatte es zuvor immerhin zu einer Schlagzeile auf krone.at gebracht: Sie nützte die dramatischen Entwicklungen dazu, auf eine „Notfall-Reserve“ für Erdgas zu drängen. Beunruhigend, dass sie nicht früher auf die Idee gekommen ist. Und dass es ihr nicht peinlich ist, dieses Versäumnis auf diese Weise einzugestehen. Karner wiederum brachte das unvermeidliche Codewort Flüchtlinge ein und ließ wissen, dass man „auf unterschiedliche Szenarien vorbereitet“ sei. Was auch immer das heißt. Wahrscheinlich dies: 2015 darf sich nicht wiederholen.

Und die Außenpolitik? Sie läuft den Entwicklungen hinterher. Alexander Schallenberg (ÖVP) hat die letzten Monate damit verbracht, dafür zu kämpfen, dass die von der OMV mitfinanzierte Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 nicht in den Konflikt hineingezogen wird. Das Projekt sei „fertiggestellt, jetzt sollten wir es auch verwenden“, betonte er. Irgendwann sprangen selbst Parteikollegen, wie Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), ab (er forderte die Einbeziehung der Pipeline in Russland-Sanktionen) und dann begann auch Schallenberg umzudenken. Was aber ohnehin nur eine Fußnote ist: Deutschlands Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat das Genehmigungsverfahren mittlerweile gestoppt.

Im „Außenpolitischen Bericht 2020“ ist Österreichs Strategie für den Ukraine-Konflikt folgendermaßen zusammengefasst: Gegenüber Russland „Kante, wo nötig, Dialog, wo möglich“. Das hört sich nach einer dieser Phrasen aus einer türkisen Message-Control-Abteilung an. Heißt alles und doch nichts. Genau das ist aber wohl auch das Ziel.

Im Moment gibt man sich gut abgestimmt mit Brüssel und trägt mit, was die 27 beschließen. Da gibt es keine Neutralität, muss man Kante gegenüber Russland zeigen. Das hat etwas Schlafwandlerisches: Manfred Weber, Fraktionschef der Christdemokraten im Europäischen Parlament, sieht in den Geschehnissen der vergangenen Tage eine solche Zäsur, dass er auf die Bildung einer Verteidigungsunion drängt. Das ist ein Zeichen dafür, dass es auch für den letzten Rest an Neutralität, zu dem sich Schallenberg noch immer bekennt, eng wird. Da erhält das plötzliche Bekenntnis Nehammers zu einer „starken, geschlossenen EU“, zu der man einen „entsprechenden Beitrag“ leisten werde, fast schon etwas Bedrohliches. Andererseits hat sich die Union bisher in Wirklichkeit eben gerade nicht durch Geschlossenheit oder Entschlossenheit ausgezeichnet.

Österreich hätte sich viel mehr engagieren können. Vladimir Putin war zum Skifahren und sogar für eine private Hochzeit da, Anknüpfungspunkte hätte es auf zahlreichen Ebenen gegeben. Wenn derzeit aber einer aus dem Westen reden kann mit Putin und es auch immer wieder stundenlang tut, dann ist es der französische Präsident Emmanuel Macron, wie es heißt. Auch gut. Österreich hätte in den vergangenen Jahren aufgrund seiner Geschichte ein Verständnis dafür zeigen können, dass halbherzige EU- und NATO-Perspektiven für ein Land wie die Ukraine nicht die besten aller Lösungen sind. Es hätte glaubwürdig Vorschläge wie jenen von Henry Kissinger aufgreifen und bewerben können, der Ukraine eine neutrale Position einzuräumen. Allein: Hat es nicht.

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