Gefährlicher Kurs

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ANALYSE. Der Bundeskanzler muss dringend erklären, wie die Unterstützung für Israel gemeint ist und Überzeugungsarbeit dafür leisten. Sonst kippt die Stimmung. Gerade in Österreich.

Am vergangenen Dienstag hat Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) den Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober erneut „auf das Schärfste“ verurteilt und bekräftigt, dass Israel jedes Recht habe, sich zu verteidigen; und dass Österreich an der Seite Israels stehe. Wenige Stunden später kamen bei einer Explosion bei einem Krankenhaus im Gazastreifen zahlreiche Menschen ums Leben. Überwiegend Zivilisten. Die Hamas machte Israel dafür verantwortlich, Israel betont, beweisen zu können, dass der Islamische Dschihad, eine Terrororganisation, dahinterstehe.

Im Nahen Osten kommt es zu einer weiteren Eskalation, Befürchtungen, dass es zu einem Flächenbrand kommen könnte, werden größer, und hierzulande sieht sich Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) gezwungen, die zweithöchste Terrorwarnstufe auszurufen. Auch der jüngste Anschlag in Brüssel war ausschlaggebend dafür.

Das ist bedrohlich. These: Nehammer muss die Unterstützung für Israel präzisieren und Überzeugungsarbeit dafür leisten. Es geht nicht um sein politisches Überleben, sondern um die Sache. Sie ist vorrangig: Auch der kleine Teil der Weltöffentlichkeit, der in Österreich lebt, muss nachvollziehen können, was damit gemeint ist, an der Seite Israels zu stehen. Das tut er derzeit nur bedingt. Und so kann man nicht davon ausgehen, dass dieser Standpunkt von einer breiten Mehrheit fest geteilt wird.

Die USA unterstützen Israel ebenfalls. Präsident Joe Biden versucht aber, bei der Wahl der Mittel im Kampf gegen die Hamas auf Benjamin Netanjahu einzuwirken. Aus gutem Grund, wie Hans Rauscher hier ausführt: Die USA „fürchten eine Ausweitung des Krieges“. Biden habe daher schon betont, dass es ein Fehler wäre, Gaza zu besetzen.

Österreich unterlässt vergleichbare Signale. Es sagt, Israel habe jedes Recht, sich zu verteidigen. Wie? Das bleibt offen. Nach der erwähnten Explosion beim Krankenhaus gab es wiederum keine offiziellen Kommentare; weder vom Kanzler noch vom Außenminister. Dabei wäre es angebracht, einen solchen Angriff auf Zivilisten zu verurteilen, auch wenn zunächst unklar ist, wer dafür verantwortlich ist. Es geht um die eigene Glaubwürdigkeit. Es ist wichtig, herauszuarbeiten, in welchen Kontext hier was passiert: Opfer unter den mehr als zwei Millionen Menschen im Gazastreifen sind bei einem Kampf mit der Hamas ebendort unvermeidlich: Auf kleinerer Fläche (365 km2) leben etwas mehr Männer, Frauen und Kinder als in Wien (415 km2). Und gezielt unter ihnen bzw. aus ihrer Mitte heraus agiert die Hamas neben anderen Terrororganisationen. Sie legt es darauf an, dass gegen humanitäres Völkerrecht verstoßen wird; dass Zivilisten nicht geschützt, sondern verletzt und getötet werden; dass die Weltöffentlichkeit empört reagiert.

Wenn man Unterstützung für Isreal unter diesen Umständen nicht präzisiert; wenn man es zudem unterlässt, sich sichtbar gegen eine Ausweitung des Konflikts auf die gesamte Region zu engagieren, dann riskiert man, dass die Stimmung im eigenen Land kippt; mit jeder Explosion und mit jeder Front, die sich neu auftut. Schlimmer: Man begibt sich in den Dienst der Hamas, die genau das beabsichtigt.

Gerade in Österreich ist es notwendig, hier Solidarität, also einen Standpunkt, zu begründen: Neutralität ist für eine Masse gleichgesetzt mit „Aus Konflikten raushalten“. Das zeigt sich auch in der Haltung zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Gut und gerne die Hälfte versteht nicht nur militärische Nichtbeteiligung darunter, sondern auch keine Duldung der Finanzierung und Lieferung von Waffen an die Ukraine sowie keine Sanktionen gegen Russland.

FPÖ-Chef Herbert Kickl greift das gezielt auf. Es ist wohl auch ein Grund dafür, dass seine Partei vorne liegt. Und dass sich die ÖVP eher auf Platz drei befindet, sodass die Monate von Nehammers Kanzlerschaft gezählt scheinen.

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