Am falschen Gleis

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ANALYSE. Wie schon in Oberösterreich und in Tirol droht der SPÖ nun auch in Niederösterreich eine Ernüchterung. Umso bemerkenswerter ist, was Hans Peter Doskozil fordert.

Die Tageszeitung „Der Standard“ hat Niederösterreichs SPÖ-Spitzenkandidat Franz Schnabl im Wahlkampf begleitet und beschrieben, wer er und seine Leute bei der Badner Bahn südlich von Wien auf Fahrgäste warten, aber keine kommen. Ein Zug, der in der Station einfährt, ist leer. Ein ortskundiger Funktionär weiß, warum: „Ihr stehts am falschen Gleis.“

Es ist bezeichnend: Für Schnabl läuft dieser Wahlkampf nicht gut. Entscheidendes hat er sich selbst zuzuschreiben. In Erinnerung bleiben wird der Slogan „Der rote Hanni“, der eigentlich nur Aufmerksamkeit für seine Ankündigung erwecken sollte, dass er Landeshauptmann werden möchte. Zu einem Zeitpunkt zudem, zu dem es schon mehr und mehr gegen ihn lief; insofern nämlich, als der ÖVP in Umfragen zwar starke Verluste ausgewiesen wurden, starke Zugewinne aber nicht der SPÖ, sondern der FPÖ. Die SPÖ könnte – wie in Tirol – erstmals durch diese überholt werden.

Ein Ergebnis davon kann Schnabl gar nicht brauchen. Leute, die finden, dass die ÖVP nach 78 Jahren die Funktion des Landeshauptmannes bzw. der Landeshauptfrau abgeben sollte, sehen eine Alternative, bei der sie unter Umständen lieber wieder umdenken: Ein blauer Landeshauptmann. Oder ein Roter, der von stärkeren Blauen abhängig ist.

Hier geht es nicht nur um Niederösterreich: Eine blau-rote Konstellation geht für die gesamte Sozialdemokratie gar nicht. Damit würde sie ihren Wählerinnen und Wählern signalisieren, dass eine Stimme für sie durchaus auch eine für einen Kanzler Herbert Kickl sein könnte. Oder auch einen Vizekanzler. Pest oder Cholera für Linke.

Dass es so weit kommen konnte, hat mit tiefgreifender Profil- wie Orientierungslosigkeit zu tun: Die Partei traut sich weder, Mitte-Links zu sein, noch sich von Mitte-Rechts zu distanzieren. Vor diesem Hintergrund kann sie keine Ansagen machen, die eine Masse begeistern. Stagnierte sie im Industrieland Oberösterreich 2021 bei einem freiheitlichen Absturz genauso wie in Tirol 2022 bei einem türkisen Verlust von rund zehn Prozentpunkten. Und steht sie nun nicht nur in Niederösterreich vor einer Ernüchterung, sondern auch auf Bundesebene. Wenn der gegenwärtige Trend, der z.B. in einer „profil“-Umfrage zum Ausdruck kommt, anhält, könnte sie nicht nur von der FPÖ überholt werden, sondern bald auch wieder von der Karl-Nehammer-ÖVP. Sie wäre dann Dritte.

Es ist bemerkenswert, dass der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, den Schnabl in seiner Not jüngst zum Vorbild, ja Hoffnungsträger erklärt hat, in diesem Moment nicht sagt, was man sich vielleicht erwarten würde. Ungefähr etwa: „Wir müssen eine harte Migrationspolitik machen.“ In einem „Kurier“-Interview hat er sich für etwas ausgesprochen, was im Moment unerreichbar scheint: eine rot-pink-grüne Ampelkoalition.

Wobei man nie weiß: Will er der Vorsitzenden Pamela Rendi-Wagner damit eins auswischen? Unter dem Motto: Sie traut sich nicht einmal das offensiv zu präferieren? Will er parteiinterne Kritiker umwerben, die ihm unterstellen, ein Rechter zu sein? Bring er sich schon für die Führungsdebatte in Stellung, die am Tag nach der NÖ-Wahl beginnen könnte? Sei’s drum: Doskozil spricht an, wozu sich seine Partei mehr denn je entschließen müsste: zu einer Richtungsentscheidung. Zumindest eine relative Mehrheit wird sie eher mit der Ampelansage gewinnen als mit dem Versuch, blaue und türkise Inhalte auch nur im Ansatz zu kopieren.

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