Oberste Rechtsbrecher

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ANALYSE. Bundeskanzler Kurz und Finanzminister Blümel bewegen sich in- und außerhalb des Verfassungsbogens, wie es ihnen gefällt. Jetzt hat es immerhin präsidiale Rügen gesetzt.

Die Eleganz lag diesmal nicht so sehr in der Verfassung, sondern in den Worten, die Bundespräsident Alexander Van der Bellen zu Beginn und am Ende einer kurzen Rede wählte: „So etwas hat es in unserem Land noch nicht gegeben.“ Und: An die Regeln, die mit Demokratie, Rechtsstaat und Gewaltenteilung einhergehen, „haben sich alle zu halten.“ Punkt.

Anlass: Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) hatte auf ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom März gepfiffen, dem Ibiza-U-Ausschuss gewünschte Unterlagen zu übermitteln. Ja, so war es: Ein Regierungsmitglied setzte sich gewissermaßen über das Höchstgericht hinweg. Das durfte sich der Verfassungsgerichtshof nicht bieten lassen, er schritt daher zum Äußersten: Der Bundespräsident wurde aufgefordert, dafür zu sorgen, dass Blümel liefert. Wie ernst das ist, erkennt man daran, dass Van der Bellen anmerkte, dass er dazu auch auf das Bundesheer zurückgreifen könnte.

So etwas hat es noch nie geben – und mit seinem Schlusssatz merkte der Bundespräsident indirekt an, dass sich der türkise Finanzminister eben nicht an die Regeln gehalten hat. Zeitgleich lenkte Blümel ein und versprach, umgehend zu liefern, die Regeln halt doch zu akzeptieren.

Man kann sich kaum ausmalen, wie sich Seinesgleichen aufführen würden, wenn sich zum Beispiel ein Flüchtling gegenüber einer Asylbehörde so verhalten würde, wie es Blümel hier gegenüber dem Verfassungsgerichtshof getan hat. Der Vergleich hinkt nicht. Im Falle von Blümel ist die Sache zumindest nicht minder schwerwiegend: Wenn Regierende anfangen, zu schalten und zu walten, wie es ihnen gefällt, ist „Bananenrepublik“ eine harmlosere Bezeichnung dafür; im Klartext handelt es sich um Rechtlosigkeit.

Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wird vom Verfassungsgerichtshof aufgefordert, dem U-Ausschuss zu liefern. Er ließ seine Beamten mitteilen, dass es nichts zu liefern gebe. Was insofern nur bedingt glaubwürdig ist, als Kurz selbst Teile seiner Amtsführung in einen nicht-amtlichen Bereich verlagert hat. So ist bekannt geworden, dass er ein Partei-Handy verwendet.

Problem: Kurz ist nicht Teilzeit- und nicht Halbe-halbe-Kanzler, sondern ganz Kanzler, bei dem das Private von der Funktion her auf einen sehr engen Bereich reduziert ist. VfGH-Präsident Christoph Grabenwarter hat das in einem Interview mit der „Kleinen Zeitung“ gerade viel besser formuliert: „Die Kommunikation eines Bundeskanzlers ist eben keine reine Privatsache, sondern eine öffentliche Angelegenheit, wo es ein gesteigertes Interesse geben kann und dadurch der Grundrechtsschutz möglicherweise geringer ist.“

Die Sache ist durchschaubar: Der Kanzler möchte sich wie der Finanzminister der Kontrolle durch Parlament und rechtsstaatliche Instanzen entziehen. Das ist ein Muster, das gerade auch andere Auswüchse annimmt, die nur mit Müh und Not bekämpft werden können. Beispiel 1: Der Plan, Hausdurchsuchungen etwa bei Regierungsstellen zu erschweren; damit wäre Korruptionsbekämpfung hier nur noch eingeschränkt möglich. Justizministerin Alma Zadic hat das im Unterschied zu ihrer Parteikollegin, Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer, erkannt und will es daher nicht soweit kommen lassen. Das Ergebnis ist offen. Beispiel 2: Das Amtsgeheimnis soll nicht nur unter dem irreführenden Titel „Informationsfreiheit“ ein neues Kleid erhalten; es steht eher zu befürchten, dass es durch Ausnahmen und schwammige Begriffe de facto noch ausgeweitet werden könnte. Davon profitieren würden gerade auch Regierende.

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