Eine Art Putsch

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ANALYSE. Van der Bellens Gegenkandidaten setzen auf eine Vertrauenskrise und versprechen, die Regierung zu entlassen. Das sollte ernstgenommen werden.

Mit der Feststellung, Alexander Van der Bellen werde bei der Bundespräsidenten-Wahl am 9. Oktober keine echte Gegenkandidatin, keinen echten Gegenkandidatin haben, sollte man vorsichtig sein. Dass die langjährigen Großparteien ÖVP und SPÖ niemanden nominieren, heißt wenig; 2016 sind ihre Kandidaten, Andreas Khol und Rudolf Hundstorfer, mit jeweils nur gut elf Prozent schon in der ersten Runde ausgeschieden. In die Stichwahl hat es damals neben Van der Bellen bekanntlich Norbert Hofer von den Freiheitlichen geschafft. Und sie wollen diesmal wieder mitmischen. Mit bzw. durch wen, ist noch offen. Die Stoßrichtung ist jedoch absehbar: Abstrakt geht es um eine Kampfansage an das System bzw. ein Establishment oder was auch immer damit gleichgesetzt wird; praktisch gegen die Regierung.

Zwei „Kandidaten-Kandidaten“, die sich in den nächsten Wochen um die 6000 nötigen Unterstützungserklärungen bemühen wollen, haben das bereits zu ihrem Programm erklärt: Ex-BZÖ-Mann Gerald Grosz würde als erste Amtshandlung die Regierung entlassen. Und zwar ohne Debatte. „Ich führe kein Gespräch“, lässt er wissen. Michael Brunner, Chef der impfgegnerischen Partei MFG, die es Umfragen zufolge mit rund fünf Prozent noch immer knapp in den Nationalrat schaffen könnte, würde ebenfalls die „Regierung entlassen“. Im Übrigen würde er – als „Präsident des Volkes und nicht des Systems“ – den Rechtsstaat wiederherstellen, wie er betont. These: Die FPÖ wird versuchen, derlei zu übertreffen. Herbert Kickl darf nicht untergehen.

Die Rahmenbedingungen: Unter Berufung auf eine entsprechende Erhebung berichtete die „Kronen Zeitung“ Mitte Juni, dass nur noch 18 Prozent der Regierung vertrauen würden. Das ist ungefähr auch der (fast schon) verschwindend kleine Wert, dem Karl Nehammer (ÖVP) bei einer Kanzlerdirektwahl nahekommen würde. Vize Werner Kogler (Grüne) würde bei einer solchen einstellig bleiben. ÖVP und Grüne halten zusammen nur noch gut ein Drittel der Stimmen. Und so weiter und so fort: Aus vielen Gründen ist die Regierung unten durch. In der Coronakrise ist es zudem zu einer Polarisierung gekommen. In Zusammenhang mit der Teuerung sowie möglichen Energieversorgungsproblemen und allem, was damit einhergeht, ist ähnliches in anderer Form auch im Herbst denkbar.

Darauf setzt die Ansage, die Regierung zu entlassen. So soll Unmut aufgesaugt werden. Die Ansage vermittelt etwas zutiefst Demokratiefeindlich-Autoritäres. Durch den Verweis, man tue das im Namen eines Volkes, wird die Sache nicht besser. Genauso wenig wie es durch die Tatsache abgemildert wird, dass das vielleicht sogar im Sinne einer Masse wäre. Beides macht es eher bedrohlicher.

Der Bundespräsident kann die Regierung entlassen, wenn er das für richtig hält. Diese Möglichkeit muss jedoch in einem größeren Zusammenhang gesehen werden: Letzten Endes muss er sich mit dem Nationalrat arrangieren und berücksichtigen, welche Mehrheitsverhältnisse dort auf Basis einer anderen Wahl gegeben sind (ein Ergebnis davon ist die gegenwärtige Koalition). Ausdruck dafür, dass er sich damit arrangieren muss, ist, dass er allein den Nationalrat nicht auflösen und so eine Neuwahl erzwingen kann (das darf er nur auf Vorschlag der Regierung tun).

Natürlich kann der Bundespräsident die Regierung Nehammer trotzdem so mir nichts, dir nichts entlassen. Damit würde er sich aber selbst in eine schwierige Position bringen: Wie einst Thomas Klestil könnte ihm nichts anderes übrig bleiben, als eine neue Regierung zu akzeptieren, die sich ohne sein Zutun der Unterstützung durch eine parlamentarische Mehrheit versichert hat.

Aber das wissen die Kandidaten natürlich auch. Es ist ihnen vollkommen egal. Ihnen ist es wichtiger, mit Stimmungen zu arbeiten und eine Präsidialrepublik zu inszenieren, in der sich ein Staatsoberhaut eine Regierung und de facto auch eine Volksvertretung (Parlament) hält, wie es ihm gefällt. Es wäre das Ende der repräsentativen Demokratie.

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