Nehammers Doppelspiel

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ANALYSE. Als Kanzler einer- und als ÖVP-Chef andererseits verfolgt der 49-Jährige zwei widersprüchliche Strategien.

Zum Auftakt des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses sprach Karl Nehammer gute und wichtige Worte: „Ich wünsche mir einen angemessenen Stil im Umgang miteinander. Ich wünsche mir, dass wir mehr auf unsere Worte achten und dass wir uns mit Wertschätzung begegnen und nicht mit Hass oder Verachtung.“ Angesichts der großen Herausforderungen durch die Corona-Pandemie und den russischen Angriff auf die Ukraine „sollten wir mehr Bedacht darauf nehmen, wie wir miteinander umgehen, wie wir politische Auseinandersetzungen führen“. Das hat was.

Hier sprach der Bundeskanzler. Der (designierte) Bundesparteiobmann der neuen ÖVP (ebenfalls Karl Nehammer) lässt gerade auch im Untersuchungsausschuss in einer Art und Weise gewähren, die nicht dazu angetan ist, nüchtern und sachlich Aufklärungsarbeit zu leisten. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, ein Parteikollege, meint mit zum Teil haarsträubenden Begründungen den Vorsitz unter allen Umständen führen zu müssen. Ob Nehammer nichts dagegen einzuwenden hat oder Sobotka nichts anschaffen kann, spielt keine Rolle. Aufs Ergebnis kommt es an, dafür trägt er als Bundesparteiobmann Verantwortung.

Sobotka versucht, den Ausschuss zu lenken. Die Umstellung der Tonanlage dahingehend, dass die Abgeordneten ihre Mikrofone nicht mehr selbst ein- und ausschalten können, ist bezeichnend dafür. Nach Kritik aus allen Reihen – mit Ausnahme der ÖVP – wurde das vor Beginn der ersten Befragungsrunde wieder rückgängig gemacht. Man kann davon ausgehen, dass das Ganze nicht passiert ist; ein guter Präsident hätte eine solche Maßnahme zuvor mit den Fraktionen diskutiert. Darauf hatte Sobotka ganz offensichtlich verzichtet.

Die ersten Befragungsrunden selbst waren von Auseinandersetzungen darüber gekennzeichnet, welche Fragestellungen überhaupt zulässig sind. Grundsätzlich ist das wirklich ein Problem. Wie insbesondere ÖVP-Abgeordnete wie Andreas Hanger betonen, aber auch Sobotka und sogar der unabhängige Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl feststellen, kann eine Partei nicht Untersuchungsgegenstand sein; das kann nur ein „bestimmter abgeschlossener Vorgang im Bereich der Vollziehung des Bundes“ sein.

Überlagert wird dies jedoch durch folgendes Problem: Es geht zum Beispiel um den Verdacht, dass für den einstigen Aufstieg des ÖVP-Mannes Sebastian Kurz ins Bundeskanlzeramt auf Steuerzahlerkosten Umfragen über das Finanzministerium abgewickelt worden seien und in diesem Zusammenhang – ebenfalls auf Steuerzahlerkosten – zur Veröffentlichung bestimmter Ergebnisse Inseratenschaltungen in einer Boulevardzeitung erfolgt sein könnten. System Kurz und Staat wären hier unzulässig ineinander übergegangen. Von daher ist es fast schon perfid, wenn die Partei, die letztlich davon profitiert hätte, den Eindruck erweckt, mit dem Staat bzw. der Vollziehung des Bundes gar nichts zu schaffen zu haben.

Bemerkenswert ist umgekehrt, wie sehr sich Nehammers ÖVP zur Verteidigung von Sebastian Kurz engagiert. Über Generalsekretärin Laura Sachslehner verbreitet sie die Erzählung, alle Vorwürfe gegen diesen würden sich in Luft auflösen. Das ist einerseits absurd und andererseits alles andere als staatstragend: Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft sind nicht abgeschlossen. Das, keine gewünschte Wirklichkeit, ist derzeit relevant. – Gerade berichtet die Tageszeitung „Der Standard“ überigens, Ex-ÖVP-Familienministerin Sophie Karmasin solle festgenommen worden sein.

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