Freunde Putins

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ANALYSE. Dem Verfassungsschutzbericht ist kein Hinweis auf ein „innerrussisches“ Konfliktpotenzial in Österreich zu entnehmen. Kritisch sind vielmehr innerösterreichische Verhältnisse.

Der Kanzler sprach in Rätseln, als er am Wochenende nach dem vorerst gescheiterten Aufstand gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin erklärte, man werde nicht zulassen, dass eine innerrussische Angelegenheit auf österreichischem Boden ausgetragen werde. Soweit sich das nachvollziehen lässt, spielte Karl Nehammer auf nichts Konkretes an, dürfte es sich eher um eine unbedarfte Äußerung mit dem Ziel gehandelt haben, den Menschen in Österreich zu versichern, dass sie sich keine Sorgen machen müssen.*

Dem Verfassungsschutzbericht 2022, der vor wenigen Wochen präsentiert worden ist, ist jedenfalls kein Hinweis auf ein „innerrussisches Konfliktpotenzial“ zu entnehmen. Klar: Einen solchen Machtkampf in Moskau haben die Autoren nicht unbedingt vorhersehen können. Sehr wohl aber eine Destabilisierung des gesamten Landes. Eine solche muss aufgrund des Angriffskriegs auf die Ukraine zu möglichen Szenarien gehören. Umso relevanter ist, dass hierzulande kein gewaltbereites Lager russischer Staatsangehöriger festgestellt wird im Verfassungsschutzbericht.

Lang und breit und in sehr unterschiedlichen Zusammenhängen werden in dem Papier Dimension erörtert, die mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine einhergehen (könnten). Nachrichtendienstliche Aktivitäten etwa; oder Cyber-Attacken.

Oder innerösterreichische Entwicklungen: Es sei eine (überwiegend rechte) demokratiefeindliche Szene feststellbar, für die Putin ein Vorbild ist und die sich für dessen Kriegspropaganda einspannen lässt. Auf der anderen Seite sieht der Bericht „Nährboden für eine linksextreme Radikalisierung“. Zitat: „Vorrangig verschärft die zunehmende Teuerung, die sich mittlerweile durch alle Lebensbereiche zieht, die Argumentationsgrundlage gegen den Kapitalismus und für soziale Gleichheit.“

Nicht vom Verfassungsschutz ausgeführt werden politische Tendenzen zwischen Extremen, die als solche wahrgenommen werden. Sie werden in internationalen Medien erörtert. Und wie: Das „Politico“-Magazin hat Anfang Juni eine Geschichte mit dem Titel veröffentlicht, wie Österreich Putins Alpenfestung geworden sei. Schon davor hat der „Economist“ gewarnt, dass Österreich aufgrund seiner Nähe zu Putins Russland bald zu diplomatischen Spannungen im Westen beitragen könnte.

Tatsächlich gibt es enge wirtschaftliche Beziehungen mit Putins Russland, haben von Heinz Fischer über Christoph Leitl bis Sebastian Kurz viele Vertreter Österreichs dem Präsidenten den Teppich ausgerollt und nicht zuletzt verhängnisvolle Gasabhängigkeiten verfestigt. Tatsächlich ist die FPÖ sogar einen Freundschaftsvertrag mit der Putin-Partei „Einiges Russland“ eingegangen und weigert sich unter Herbert Kickl bis heute, diesen zu veröffentlichen. Tatsächlich mobilisiert Kickl gegen EU-Maßnahmen gegen Russland (Sanktionen) und für die Ukraine (Waffenlieferungen zur Verteidigung).

Natürlich: Österreich kann in einem Machtkampf in Russland direkt nicht viel ausrichten. Es kann aber von außen Maßnahmen treffen, die Putin stärken, die hierzulande zu einer Verhärtung der Auseinandersetzung beitragen: Die Milliardenbeträge, die übers Jahr für Gaslieferungen in dessen Kriegskasse fließen, sind ein Beispiel dafür. Eine Regierung mit einem Kanzler Kickl, der auf europäischer Ebene gemeinsam mit Viktor Orban gegen Sanktionen (gegen Russland) und Waffenlieferungen (für die Ukraine) mobilisiert, ist eine Perspektive, die darüber hinaus geht und real ist – zumal sie Ankündigungen von Kickl entspricht.

*Zyniker haben mittlerweile eine Erklärung für Nehammers Sorge, wonach es zu innerrussischen Konflikten in Österreich kommen könnte: Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) hat über Asyl für Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin und zunächst sogar über eine „Einzelfallprüfung“ für diesen im hypothetisch angenommenen Falle des Falles gesprochen.

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