Wie viel muss ein Kanzler ertragen?

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ANALYSE. Der Umgang mit einem Posting gegen Sebastian Kurz sollte diskutiert werden. Gerade auch weil der Inhalt so unsäglich war.

„Auf deine Adventwünsche ist keiner scharf du armer Irrer. Deine Auflagen für Weihnachten und Silvester kannst du dir auch irgendwohin schieben. Es nimmt dich keiner mehr für voll. Ich wünsche dir für Weihnachten die Giftspritze, dann haben wir das größte Virus los.“ Diese Sätze, die eine Frau aus Salzburg am 13. Dezember des vergangenen Jahres auf der Facebook-Seite von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) geschrieben hatte, durften nicht ohne Konsequenzen bleiben. Sie sind inakzeptabel, Sebastian Kurz musste reagieren. Aber so?

Wie ORF Salzburg hier berichtet, soll es einen Hinweis aus dem Innenministerium an das Salzburger Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung gegeben haben. Das Amt nahm Ermittlungen wegen Beleidigung auf, schaltete schließlich die Staatsanwaltschaft ein und mit ausdrücklichem Einverständnis von Sebastian Kurz als Beleidigtem wurde die Strafverfolgung aufgenommen.

Jetzt musste sich die Frau am Landesgericht Salzburg verantworten. Sie erhielt ein Diversionsangebot in Form einer Geldbuße von 1000 Euro. Wenn sie zahlt, wird das Verfahren eingestellt.

Man kann natürlich feststellen, dass das nicht übertrieben, sondern symbolisch und allemal angemessen sei. Auf der anderen Seite würde es sich gerade im Lichte von „Message Control“ und einer gefühlten Zunahme von Klagen als Teil des Politischen um einen hervorragenden Anlassfall handeln, darüber zu diskutieren, was sich z.B. ein Regierungschef A) bieten lassen muss und wie er B) damit umgehen könnte.

Zunächst ist dem ORF-Bericht zu entnehmen, dass es sich um eine „bislang unbescholtene Frau“ gehandelt hat; die als Selbstständige von Lockdowns betroffen war; die den erwähnten Text unter Einfluss von Alkohol in einer Runde verfasst hat; die sich entschuldigte und Ruhe zeigte („Ich trage für alles, was auf meinem Handy geschrieben wurde, die Verantwortung. Es tut mir leid“).

Zu den Antworten auf die Fragen A und B: Auch ein Kanzler darf sich weder eine Giftspritze wünschen noch die Darstellung bieten lassen, er sei ein Virus. Es ist wichtig, dass das nicht „einfach“ durchgegangen ist: Mit sozialen Medien geht eine niederschwellige Möglichkeit für alle Menschen einher, zu publizieren. Das Bewusstsein, dass das Verantwortung bedeutet, kann kaum genug geschärft werden.

Bei alledem könnte ein Regierungschef aber auch die Umstände beachten: In den Lockdowns lagen bei sehr vielen Menschen die Nerven blank. Niemand wusste, wie die Sache etwa gesundheitlich oder wirtschaftlich für sich selbst oder Angehörige ausgeht. Von daher hätte ein Kanzler ein Zeichen setzen können. Er hätte die Frau zum Beispiel besuchen oder an den Ballhausplatz nach Wien einladen können. Er hätte bei der Gelegenheit eine unmissverständliche Bewertung des Postings bzw. des darin enthaltenen Wortlauts vornehmen, in weiterer Folge aber eben auch genau diesen aufgrund der Einsicht der Autorin zum Anlass nehmen können, auf Gefühlslagen und Emotionen einzugehen, die in Anbetracht der „Jahrhundertkrise“ (Sebastian Kurz) nachvollziehbar waren. Ja, er hätte dazu ermuntern können, auszuatmen und sich um eine ordentliche Streitkultur zu bemühen.

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