Wie die Impfpflicht erledigt wird

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ANALYSE. Ausgerechnet vor Inkrafttreten der Regelung fordern Landeshauptleute die Einführung einer 3G-Regel: Noch ein Grund weniger für Hunderttausende, sie Ernst zu nehmen.

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) müssen sich auf eine Wahl zwischen Pest und Cholera gefasst machen: Sie können die Impfpflicht durchziehen und dafür sorgen, dass alle Ungeimpften letzten Endes auch wirklich zur Kasse gebeten werden. Oder sie „vergessen“ sie einfach und hoffen, dass dies epidemiologisch gesehen nie zu einem Verhängnis wird. Das eine würde auf enorme Konflikte hinauslaufen. Wenn Hunderttausende mehrfach Strafe zahlen müssen, Tausende den Aufstand proben und auch nur ein Teil davon Beschwerde einlegt, dann bleibt dies nicht unbemerkt.

Es könnte unter anderem auch einen niederösterreichischen Landtagswahlkampf stören, der spätestens im Herbst losgehen wird. Nehammers mächtigste Parteikollegin, Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leiter, hätte keine Freude damit, um es vorsichtig zu formulieren. Die Alternative: Die Impfpflicht wie erwähnt vergessen. Das würde jedoch mit einem massiven, staatlichen Autoritäts- oder Glaubwürdigkeitsverlust einhergehen. Zunächst gibt man vor, Bürgerinnen und Bürger zu etwas zu verpflichten, dann vermittelt man, dass es nicht so gemeint war.

Landeshauptleute sind keine Hilfe bei alledem. Im Gegenteil: Sie waren es, die auf einem Treffen am Tiroler Achensee im vergangenen November die Impfpflicht de facto durchgesetzt hatten. Karl Nehammer hat die Letztverantwortung für die Umsetzung als Regierungschef ab Dezember geerbt.

Was seither geschehen ist, macht das Ganze nicht einfacher. Zunächst einmal ist die Impfbereitschaft in der Bevölkerung nicht gestiegen. Momentan nimmt die „Erstimpfrate“ von 75,49 Prozent nur noch um durchschnittlich 0,04 Prozentpunkte pro Tag zu. Geht das so weiter, wären in einem Monat kaum mehr als 76,5 Prozent erreicht. Das liegt weit unter Zielen wie 85, 90 Prozent.

Omikron ist kein Motivator. Und der Umgang von immer mehr Landeshauptleuten damit schon gar nicht: Erkrankungsverläufe sind, soweit überhaupt feststellbar, so „mild“, dass nur selten eine Hospitalisierung erforderlich wird. Vielen erscheint das unbedenklich. Zurecht? Darüber kann man streiten, das jedoch ist eine andere Geschichte.

Die Impfpflicht soll im Februar mit „Übergangsphasen“ starten. Sie sollen dazu dienen, Betroffene quasi mit Zuckerbrot und Peitsche dazu zu bringen, sich „freiwillig“ impfen zu lassen. Geplant ist begleitend eine Impflotterie. Im Burgenland hatte eine solche keinen messbaren (zusätzlichen) Effekt, wie hier ausgeführt wurde. Nötig wäre Aufklärung, die bisher verabsäumt worden ist. Ob sich das nachholen lässt, ist fraglich.

Zumal mit der Impfpflicht zunehmend weniger Ernsthaftigkeit einhergeht: Markus Wallner (ÖVP), Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz, fordert ein Ende der 2G-Regel ehestmöglich. Er begründet dies unter anderem mit der Einführung der Impfpflicht. Sie aber wird eben nicht exekutiert, und sehr viele Menschen lassen sich wie berichtet ganz einfach nicht dazu bewegen, sich impfen zu lassen.

Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) spricht sich gar für die Rückkehr zu einer 3G-Regelung aus. Das ist ungefähr so wie die Einführung einer Geschwindigkeitsbegrenzung (= Impfpflicht) mit dem Zusatz, dass Übertretungen gerne möglich sind, wenn man einen besonderen Sicherheitsgurt (= Test) angelegt hat. Okay, jeder Vergleich hinkt. Mehr und mehr läuft die Sache jedoch darauf hinaus, dass die Impfpflicht schon vor ihrer ohnehin nicht ganz Ernst gemeinten Einführung erledigt wird. Herbert Kickl (FPÖ) wird’s freuen.

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