Was wurde aus Van der Bellen?

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ANALYSE. Der Bundeskanzler pfeift auf Klimapolitik und Korruptionsbekämpfung, in Niederösterreich tut sich die ÖVP mit Rechtsextremen zusammen – und der Bundespräsident schweigt bisher. Das ist auch seiner Ohnmacht geschuldet. Sie ist größer denn je.

„Medienöffentliche Termine“ hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen derzeit nur sehr wenige. Die Übersicht für diese Woche enthält genau genommen zwei: Die Teilnahme an der Sub auspiciis-Promotion an der Paris Lodron-Universität Salzburg sowie gleich anschließend an jener an der Johannes Kepler Universität Linz. Beide Male wird er das Wort ergreifen. Vom Rahmen her würde es jedoch überraschen, wenn er sich zu politischen Geschehnissen äußern würde.

Zu sagen hätte er viel. Nicht wenige Menschen werden sich das wohl auch erwarten und sich wundern, dass er bisher geschwiegen hat. Zur Rede von Karl Nehammer (ÖVP) beispielsweise, die zeigte, dass für den Bundeskanzler weder Korruptionsbekämpfung noch Klimapolitik die Priorität hat, die Van der Bellen im Oktober und zuletzt bei seiner Angelobung zu Jahresbeginn eingefordert hat. Zur Erinnerung: Infolge türkiser Affären sprach er von einem „Wasserschaden“ und mahnte eine „Generalsanierung“ ein. Dazu gekommen ist es bis heute nicht einmal ansatzweise.

In Bezug auf die „Klimakatastrophe“ (Van der Bellen) zitierte er UN-Generalsekretär Antonio Guterres und meinte, dass es sich um einen Wettlauf gegen die Zeit handle und sie „uns umbringt“. Dass Nehammer in seiner Rede meinte, es gebe keinen Beweis für die „Untergangsapokalypse“, wirkte vor diesem Hintergrund wie eine Verhöhnung des Bundespräsidenten.

Und jetzt auch noch Niederösterreich. Was hier geschieht, ist bekannt. Van der Bellen kann dazu nicht schweigen, tut es vorerst jedoch. Sagen müsste er Wesentliches. Es wäre Balsam für all jene, die in der türkis-blauen Koalition eine Zumutung sehen, aber nicht mehr. Er kann das Bündnis nicht verhindern und ihm auch keine Auflagen mit auf den Weg geben. Hier geht es um keine Regierungsbildung auf Bundesebene. Van der Bellen kann nur eines: Treffende Worte zu dem Zeitpunkt wählen, zu dem sie die größte (symbolische) Wirkung entfalten können. Das ist bei der kommenden Angelobung von Mikl-Leitner zur Landeshauptfrau. Dann werden die Kameras auf ihn gerichtet sein, dann wird sie ihm gegenüberstehen. Darauf wird es ankommen, daran wird er zu messen sein.

Im Übrigen wird die Ohnmacht des Bundespräsidenten jedoch immer deutlicher: Letzten Endes braucht er trotz der Mehrheit, die er bei seiner Wahl hatte, bei jeder Frage die öffentliche Meinung auf seiner Seite. Sonst wird er von Regierenden, die entscheiden und anderes im Sinne haben, nicht einmal ignoriert. Außerdem muss er maßgebliche Teile der Politik hinter sich wissen. Sonst kann er einpacken.

Konkreter: Wenn Nehammer mit Blick auf Umfragen davon ausgeht, dass er Klimaschutz und Korruptionsbekämpfung außer Acht lassen kann, weil es, wie in Niederösterreich, ohnehin auf Türkis-Blau oder Blau-Türkis hinausläuft; und wenn Grüne im tagtäglichen Regierungs-Klein-Klein gefangen sowie Sozialdemokraten mit sich selbst beschäftigt sind, dann wird es bitter für den Bundespräsidenten. Dann kann er sagen, was er will.

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