ANALYSE. Im Lichte der EMRK ist Hartinger-Kleins Forderung nach eine Arbeitspflicht für Asylwerber genauso fragwürdig wie Kickls Vergleich mit Wehr- und Zivildienern.
Ist es Abstumpfung? Wer weiß. Vor wenigen Wochen noch hatte Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) sehr viel Widerspruch geerntet als er meinte, Recht müsse der Politik folgen. Politik müsse zumindest Grundrechten folgen, hieß es. Auf den jüngsten Vorstoß von Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ), Asylberechtigte zu Erntehilfe im Sinne der Landwirtschaft zu verpflichten, sowie zum Plan von Herbert Kickl, Asylwerbern für Hilfstätigen maximal nur 1,50 Euro pro Stunde zu bezahlen, gab es zwar auch Widerspruch. Recht war jedoch keine Kategorie. Dabei wäre dies naheliegend.
„Niemand darf gezwungen werden, Zwangs- oder Pflichtarbeit zu verrichten.“
Artikel 4 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) spielt in beiden Fällen ein Rolle. Ganz besonders in dem der verpflichtenden Erntehilfe. Sie würde dem „Verbot der Sklaverei und der Zwangsarbeit“ widersprechen, wäre also schlicht menschenrechtswidrig. Absatz 2 heißt wörtlich: „Niemand darf gezwungen werden, Zwangs- oder Pflichtarbeit zu verrichten“. Ausnahmen gibt es. Sie gelten aber nicht für Asylberechtigte.
Womit wir zu Kickls Vorstoß kommen können. Die 1,50 Euro „Lohn“ pro Stunde begründet er damit, dass Asylwerber nicht mehr als Wehr- oder Zivildienern bezahlt werden dürfe. Das ist aber genau eine dieser Gruppen, die von „Zwangs- oder Pflichtarbeit“ ausdrücklich ausgenommen sind.
Ausgenommen sind Tätigkeiten im Rahmen einer Haft, Dienstleistungen im Falle von Notständen und Katstrophen sowie Dienstleistungen, „die zu den ganz normalen Bürgerpflichten“ gehören. Und eben „jede Dienstleistung militärischen Charakters, oder im Falle der Verweigerung aus Gewissensgründen in Ländern, wo diese als berechtigt anerkannt ist, eine sonstige anstelle der militärischen Dienstpflicht tretende Dienstleistung“ – hierzulande Wehr- und Zivildienst also.
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