Vergiftete Koalition

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ANALYSE. Kanzler Kurz hat die Grünen überfordert – und eine konstruktive Zusammenarbeit schwer bis unmöglich gemacht.

Die Verzweiflung der Grünen ist lesbar. Der Abgeordnete Michael Reimon schreibt auf Twitter, dass er Mails von Männern mit nicht-migrantischem Namen erhalten habe, wonach sich er und seine Parteikolleginnen und -kollegen in Bezug auf die Aufnahme von Flüchtlingen nicht erpressen und die ÖVP mit der FPÖ stimmen lassen sollten. „Scheint mir aus einer privilegierten Position heraus leicht zu sagen zu sein“, so Reimon. Soll heißen: Wenn man zum Beispiel Max Mustermann heißt sowie gesund und wohlhabend ist, sollte man sich hüten, sich kritisch zu Wort zu melden; Grüne könnten unrund werden.

Aussagekräftiger noch Klubobfrau Sigrid Maurer, ebenfalls auf Twitter: „Wir werden heute gegen den Antrag auf Aufnahme (von Flüchtlingen) von Neos und SPÖ stimmen – damit dieser FPÖ-Antrag (zur „Nichtaufnahme von Moria-Migranten“) KEINE Mehrheit findet.“ Maurer hätte sich zumindest den ersten Halbsatz ersparen können; wenig später musste sie korrigieren, dass über den pink-roten Antrag gar nicht abgestimmt werde, sondern dass er „nur dem Ausschuss zugewiesen“ werde. Andererseits: Der blaue Antrag sei mit breiter Mehrheit abgelehnt worden.

Alles gut? Woher, für die Grünen bleibt die Katastrophe: Sie müssen in der Sache zulassen, was die Freiheitlichen mit zynischen Worten verlangt haben; die Koalition, an der sie beteiligt sind, sorgt auf Druck der ÖVP für eine „Nichtaufnahme von Moria-Flüchtlingen“. Das ist ein nicht unwesentlicher, aber halt doch nur semantischer Unterschied.

Maurer hat zudem mehr oder weniger offen ausgesprochen, dass es keine tragfähige Grundlage für diese Koalition gibt: Die Grünen sind nur dabei, um zu verhindern, dass die Freiheitlichen regieren. Das ist nicht nichts, auf Dauer aber selbstzerstörerisch; siehe die aktuellen Ereignisse um Moria.

Wobei natürlich auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) Verantwortung für den schnellen Niedergang der Zusammenarbeit trägt: „Das Beste aus beiden Welten“ als grundlegendes Prinzip war seine Idee. Werner Kogler und Co. haben sich zwar darauf eingelassen, er, Kurz, zieht das nun aber auch so knallhart durch. Was – nebenbei bemerkt – seine Unfähigkeit zu Kompromissen sowie immer auch nötiger Rücksichtnahme auf andere Spielerinnen und Spieler auf dem Feld unterstreicht.

Das ist keine Grundlage für eine Koalition. Andererseits: Der Kanzler hat ohnehin nie gesagt, dass sie auf Dauer angelegt sei. Er hat die Grünen genommen, weil die Freiheitlichen gerade in den Seilen hingen (und auch noch hängen). Und jetzt nützt er gnadenlos aus, dass die Grünen versuchen, sich alles mit dem Argument schönzureden, dass sie immer noch diejenigen bleiben, die Österreich Türkis-Blau ersparen. Wenn sie sich damit zufrieden geben, kann es Kurz recht sein. Es schadet ihm nicht.

Allerdings: Mit seinem Kurs zu Moria hat er die Grünen überfordert. Zu viele Anhänger von ihnen haben ihren langjährigen Zugang zu Flüchtlingspolitik zum Besten aus ihrer Welt gezählt. Jetzt sind sie naturgemäß bitter enttäuscht worden. Kurz hat ausschließlich auf sich und die ÖVP geschaut und in Kauf genommen, dass die Grünen in eine schwere Krise gestürzt sind – aus der sie wohl nur herausfinden können, wenn sie umgekehrt ab sofort auch so mit der ÖVP umspringen, wo auch immer es ihnen möglich ist.

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