Van der Bellens Rückzug

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ANALYSE. Vom Bundespräsidenten ist nicht mehr viel zu hören. Zu sagen geben würde es viel für ihn, seine Worte werden jedoch ignoriert – und er scheint sich mehr und mehr auf die nächste Regierungsbildung auszurichten.

Beinahe ist man verleitet, zu fragen, was aus dem Bundespräsidenten geworden sei. Spätestens bei den bevorstehenden Festspielen in Bregenz und Salzburg wird man Alexander Van der Bellen jedoch hören und sehen, da wird er die Eröffnungsreden halten. Aber wird er auch etwas zu sagen haben?

Zuletzt hat sich der 79-Jährige zurückgehalten. Dass er zur Einstellung der Wiener Zeitung deutliche Worte schuldig geblieben ist, ist ihm bewusst. Das hat er insofern selbst angesprochen, als er bei der Verleihung von Journalist:innen-Preisen im Juni betonte, dass er das Ende der damals ältesten Tageszeitung der Welt nicht verhindern konnte: „Ob mir gefällt, was ich da unterschreibe oder nicht, hat keinerlei Niederschlag gefunden“, betonte er: Einzig das verfassungsmäßige Zustandekommen des Gesetzes habe er zu bestätigen gehabt – „nicht mehr und nicht weniger“.

Doch wie wär’s damit gewesen, der Regierung frühzeitig die Leviten zu lesen und zu betonen, dass er sich Maßnahmen zum Erhalt von Qualitätsjournalismus erwarte, weil dieser unverzichtbar sei? Dass ihm das Gesetz zur Einstellung der Zeitung missfalle, er aber das verfassungsmäßige Zustandekommen bestätigen müsse?

Der Bundespräsident ist vorsichtiger denn je. Nämlich insofern, als er mit deutlichen Worten immer (noch) zurückhaltender wird. Man sollte nicht vergessen, dass er Johanna Mikl-Leitner bei ihrer Angelobung als niederösterreichische Landeshauptfrau im Frühjahr eine Standpauke gehalten hat, weil sie eine Koalition mit einer rechtsextremen FPÖ eingegangen ist, die ausdrücklich auf bestehende Menschenrechte pfeift und durch ihren Ruf nach einer Festung Österreich de facto einen Öxit anstrebt.

Außerdem hat er vor mehr als einem halben Jahr eine Generalsanierung der Republik gefordert: „Das, was in den letzten Tagen zum Korruptionsthema wieder öffentlich wurde, ist kein kleiner Wasserfleck. Es ist ein massiver Schaden, der an die Substanz unserer Demokratie geht. Wir brauchen eine Generalsanierung“, sagte er in einer eigenen Ansprache und betonte, dass es selbstverständlich seine Pflicht sei, sicherzustellen, dass es auch zu einer solchen komme. Schon bei der Neujahrsansprache zwei Monate später kritisierte er, dass „entsprechende Schritte noch immer nicht gesetzt“ seien. Heute könnte er das wiederholen, zögert jedoch: Will er vermeiden, einzugestehen, dass er ohnmächtig ist?

Tatsächlich ist der Bundespräsident letztlich darauf angewiesen, dass Regierung und/oder eine parlamentarische Mehrheit tun, was er sagt. Das passiert jedoch nicht. Nicht einmal die Abschaffung des Amtsgeheimnisses bringt man zusammen.

Schwerwiegender für Van der Bellen ist, dass das, was bisher der politischen Mitte zugeordnet wurde, zunehmend Positionen einnimmt, die einem vermeintlichen Grundkonsens widersprechen. Bei niemandem ist das so deutlich wie bei Mikl-Leitner: Bei seiner Rede zur Angelobung hat Van der Bellen mitgeteilt, dass sie für ihren Koalitionspartner verantwortlich sei.

Was er damals wohl nicht bedacht hat, ist, dass sie selbst mehr und mehr beginnen würde, die liberale Demokratie und die EU anzugreifen; durch ihre „Normaldenkenden“-Kampagne genauso wie durch ihre Darstellung der EU als „grüne Vorfeldorganisation“.

Das macht die Aussicht auf einen freiheitlichen Triumph bei einer Nationalratswahl für Van der Bellen nur noch übler. Kommunikativ ist für ihn diesbezüglich ohnehin schon einiges schiefgelaufen. Wobei: Es liegt nicht an ihm, dass sich der Eindruck durchgesetzt hat, er würde der FPÖ nie einen Regierungsbildungsauftrag erteilen, weil er sie – salopp formuliert – nicht möge. Dabei handelt es sich um eine mutwillige Fehlinterpretation: Gesagt hat er, dass der Wahlsieger nicht automatisch mit der Regierungsbildung beauftragt wird und dass ein Bekenntnis zur Mitgliedschaft bei der Europäischen Union beispielsweise wesentlich ist für ihn. Sein Problem ist, dass er jetzt eine Debatte darüber scheut. Als wäre es hoffnungslos, damit durchzukommen, worum es ihm geht; als wollte er verhindern, noch mehr als schlichter Anti-Kickl dargestellt zu werden.

Diese Sorge wäre freilich überflüssig: Mikl-Leitner signalisiert Van der Bellen, dass er eher nur noch verlieren kann. Sie ist eine Koalition mit der extremsten FPÖ eingegangen, die es in den Ländern gibt. Und sie übernimmt nun Züge von dieser. Darauf muss er sich auch auf Bundesebene einstellen, falls es nach der nächsten Nationalratswahl eine blau-türkise Mehrheit gibt – dann wird er eine solche Koalition nicht verhindern können, wenn sie nicht nur von Blauen, sondern auch von Türkisen gewollt wird.

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