U-Ausschuss zur Unzeit

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ANALYSE. Warum es in Anbetracht des Ukraine-Konflikts klug gewesen wäre, die ersten Befragungsrunden um zwei, drei Wochen zu verschieben.

„Derweil innenpolitischer Diskurs in Österreich“, twittert Armin Wolf und verweist auf einen Wutausbruch des Neos-Abgeordneten Helmut Brandstätter: „Der Hanger ist ein dummer und plumper Lügner. Und ein mieser Verleumder. Das ist wohl allen klar hier“, hatte dieser unter Verweis auf eine behauptete Erzählung des ÖVP-Mandatars Andras Hanger geschrieben. Am 28. Februar 2022, als in der Ukraine ein Angriffskrieg fortgesetzt wurde, der die Welt in Atem hält. Darauf spielte Wolf an. Zurecht.

Noch selten ist so deutlich geworden, wie erbärmlich die politische Auseinandersetzung auf nationaler Ebene sein kann. Man sollte jedoch einkalkulieren, dass genau das das Ziel von Leuten wie Andreas Hanger ist, der schon einmal „linke Zellen“ in der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ortet und jetzt auch der 2. Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) unterstellte, in einer lange zurückliegenden Geschichte zumindest befangen zu sein; sofern sich diese überhaupt jemals zugetragen hat. Es geht um Aussagen der Meinungsforscherin Sabine B., wonach einst auch die SPÖ über eine Zeitung manipulierte Umfragen unter die Leute gebracht habe. Belege dafür gibt es nicht. Bures wies „abenteuerliche Unterstellungen zurück“.

Derweil innenpolitischer Diskurs in Österreich: pic.twitter.com/yk5CCazCtO

— Armin Wolf (@ArminWolf) February 28, 2022

Das Problem: Hanger arbeitet nach der Devise des ehemaligen Trump-Beraters Steve Bannon. „Flood the zone with shit.“ Sinngemäß bedeutet dies, einfach irgendwelche Unsinnigkeiten zu behaupten. Letzten Endes geht es darum, allerhang kaputt zu machen, unter anderem die politische Auseinandersetzung (Diskurs) und den Raum, in dem diese stattfindet (z.B. das Parlament). Irgendjemand findet sich immer, der sich dazu provozieren lässt, im konkreten Fall war es Helmut Brandstätter. Die Ablenkung von der Debatte über die Vorsitzführung im ÖVP-U-Ausschuss durch Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) und dessen Vergleiche mit der Ausschaltung des Parlaments 1933, die so daneben sind, dass er sie selbst zurücknehmen muss, ist ein klein wenig gelungen.

Verhängnisvoll ist, dass parallel zu den Schlachten in der Ukraine auf diesem Niveau die ersten Befragungsrunden im Ausschuss starten. Zu den Auskunftspersonen zählt Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP).

Grundsätzlich sollte ein solches Nebeneinander möglich sein, so lange Österreich im Allgemeinen und hier Nehammer im Konkreten nicht daran gehindert wird, notwendige Maßnahmen in Bezug auf den Krieg vorzubereiten oder zu setzen. Genauso wie das Parlament auch ganz anderen Fragen weiter nachgehen können muss. Es gibt unter anderem noch eine Pandemie, bei der zu klären ist, wie es mit den Öffnungsschritten am 5. März ausschaut und was mit der Impfpflicht passieren soll.

Grundsätzlich muss auch der Untersuchungsausschuss zu türkisen Korruptionsaffären seine Arbeit aufnehmen. Er ist beschlossen und es geht hier wirklich darum, Fragen der politischen Verantwortung zu beleuchten. Immerhin steht etwa der Verdacht im Raum, dass ehemalige ÖVP-Finanzminister mit Steuergeld Umfragen und Inserate finanziert haben, um den Aufstieg von Sebastian Kurz ab 2016 zu befördern.

In diesen Stunden tut sich der Ausschuss mit Sitzungen aber nichts Gutes. Es ist schädlich für ihn selbst, wenn er gerade jetzt zusammenkommt, um Auseinandersetzungen auf dem erwähnten Niveau auszutragen. Das könnte für zu viele Bürgerinnen und Bürger eine Zumutung sein.

Es ist offensichtlich, dass das gewollt ist. Dass andauernde Unterstellungen, er sei ein „Tribunal“ (zuletzt in einem „profil“-Interview durch Nehammer) ebenso zu seiner Herabwürdigung beigetragen haben wie das Auftreten des Andreas Hanger. Sitzungen um zwei, drei Wochen zu verschieben hätte jedoch nicht bedeutet, sie zu bestätigen. Es wäre ausnahmsweise eher im Sinne des Ausschusses gewesen.

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