Türkises Kartenhaus

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ANALYSE. Nicht einmal symbolische Maßnahmen halten. Von groß angekündigten Reformen, wie der Zusammenlegung der Sozialversicherungen, ganz zu schweigen. Das wird teuer.

Aus heutiger Sicht könnte man meinen, es sei Selbstironie: „Reformen für Österreich“, steht auf der Website sebastian-kurz.at, „Versprochen, gehalten!“ Und als Beleg dafür folgt die Zusammenlegung der Sozialversicherungen mit dem Hinweis, dass bis 2023 „aus der Verwaltungsmilliarde“ eine „Patientenmilliarde“ werde. Rechnungshof und andere haben das von vorn herein angezweifelt. Jetzt ist klar: Das System wird teurer.

Laut ORF-Zeit im Bild gehören schwarze Zahlen bei den einstigen Krankenkassen der Vergangenheit an. Schon im vergangenen Jahr habe es ein Minus von 46,1 Millionen Euro gegeben, heuer sollen es 175 Millionen Euro und im kommenden Jahr gar 160 Millionen Euro werden. Gut, theoretisch wäre bis 2023 dann noch immer ein riesengroßes Plus möglich. Wenn Leistungen aber nach oben hin nivelliert werden sollen bzw. niemand verlieren soll, kann man das vergessen. Sagen wir, wie‘s ist: Hier bricht ein Kartenhaus in sich zusammen, das Ganze war ein Schmäh.

Wie so vieles andere: Die Budgetwende ist weniger politischen Maßnahmen als vielmehr Glück zu verdanken: Sinkende Zinszahlungen und günstiges Wirtschaftslage, die wiederum zu niedrigeren Ausgaben für Arbeitslose und höheren Steuereinnahmen führen, haben in erster Linie zu den jüngsten Überschüssen geführt.

Abgesichert ist gar nicht. Ganz im Gegenteil: „Der böse Fluch der schwarzen Null“, schreibt Josef Urschitz in der Tageszeitung „Die Presse“: „Der kleine, nicht nachhaltige Budgetüberschuss hat zur „Schubladisierung“ aller wichtigen Staatsreformen geführt. Das wird sich bald rächen.“

Das Reformministerium, das Sebastian Kurz-Mann Josef Moser unter Türkis-Blau geführt hat, hat genau ein Ergebnis zusammengebracht: Es hat dafür gesorgt, dass alte Gesetze, die ohnehin niemand mehr braucht, beseitigt werden. Man könnte auch sagen: Im Dachboden, von dessen Existenz keiner wusste, ist aufgeräumt worden. Das ist okay, bringt aber halt wenig.

Der türkise „Reformkurs“ wird am Ende des Tages vielmehr in der Art und Weise teuer werden wie die Sozialversicherungsreform: Symbolische Änderungen wie die Reform der Mindestsicherung sind bereits aufgehoben oder könnten demnächst zu Fall gebracht werden (die Indexierung der Familienbeihilfe).

Beim größten Ausgabenposten wird die ohnehin schon steigende Tendenz befeuert: bei den Pensionen nämlich. Und zwar unter anderem durch Anpassungen über das gesetzlich vorgesehene Maß hinaus. Die günstige Budgetlage macht’s möglich. Für den Moment. Zumal die Einnahmenentwicklung parallel dazu durch Steuerentlastungen gedrückt werden soll, wird sich das längerfristig jedoch nicht ausgehen können.

Aber was reden wir. In der Budgetprognose, die das Finanzministerium im vergangenen Jahr erstellt hat, steht’s ohnehin ziemlich deutlich: „Ein Hinausschieben von Reformen mit Verweis auf die momentan erfreuliche Situation der öffentlichen Finanzen würde unabdingbar schmerzhaftere Reformen zu einem späteren Zeitpunkt nach sich ziehen.“

 

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