ANALYSE. Der ÖVP geht es nicht um die Lösung eines Problems. Und die Grünen steuern auf sein sehr großes Problem zu.
Warum ist der ÖVP die Ausweitung des Kopftuchverbots so wichtig? Klubobmann August Wöginger wies im Ö1-Morgenjournal vom 20. Jänner darauf hin, dass es im Regierungsprogramm stehe. Als wäre das ein Argument. Andererseits aber ist es bezeichnend: Hier geht es um Symbolpolitik. Sie ist so, weil sie so ist. Wie auch bei der Sicherungshaft: Warum ist sie notwendig?
Um Leute wie den Asylwerber, der vor einem Jahr in Dornbirn einen BH-Mitarbeiter erstochen hat, vorsorglich in Haft nehmen zu können. Klingt schlüssig. Andererseits: Zu diesem Fall ist bis heute kein Evaluierungsbericht veröffentlicht worden. Im Innenministerium liegt nach Angaben von Ex-Ressortchef Wolfgang Peschorn seit einem halben Jahr ein solcher vor. Der Bericht wäre unter Umständen relevant. Es würde sich möglicherweise um eine Entscheidungsgrundlage handeln. Doch er vergilbt in irgendeiner Schublade.
Es ist nämlich so: Man muss einkalkulieren, dass es bei dem konkreten Fall auch ziemlich viel Behördenversagen gegeben haben könnte. Der Asylwerber war bekannt, hatte nach zahlreichen Straftaten seit 2009 ein Rückkehrverbot nach Österreich. Vor einem Jahr kam er trotzdem und wurde von Asylbehörden letzten Endes nach Vorarlberg überstellt, obwohl sich die dortigen Behörden in Kenntnis seiner Vorgeschichte dagegen gewehrt haben wollen. Doch Schluss damit, hier wird es zu diffus: Klarheit könnte unter Umständen nur der erwähnte, unter Verschluss gehaltene Evaluierungsbericht liefern.
Solange er nicht veröffentlicht ist, kann man zumindest nicht ausschließen, dass das seinen Grund hat: Die Forderung nach einer Sicherungshaft soll nicht gestört werden. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) garantiert bereits, dass sie kommt.
Und die Grünen? Sie verkaufen die Öffentlichkeit ein bisschen für dumm: Laut Regierungsprogramm soll eine verfassungskonforme Lösung kommen. No na, hoffentlich. „Wir haben nicht vereinbart, dass wir die Bundesverfassung ändern“, ließ Grünen-Mitverhandler Georg Bürstmayr Anfang Jänner über die „Oberösterreichischen Nachrichten“ gleich einmal wissen.
Das ist schon sehr bemerkenswert: Praktisch haben sich die Grünen mit ihrer Zustimmung zur Sicherungshaft natürlich auch auf eine entsprechende Verfassungsänderung eingelassen. Es ist zu offensichtlich, dass das zusammengehört. Wie sehr, ist etwa einer parlamentarischen Anfragebeantwortung zu entnehmen, die Ex-OGH-Präsident Eckart Ratz als Übergangsminister im vergangenen Sommer unterzeichnet hat. Zitat: „Die einfachgesetzliche Ausgestaltung der sogenannten „Sicherungshaft“ ist – neben den unionsrechtlichen Vorgaben – maßgeblich abhängig von der allfälligen Änderung des Bundesverfassungsgesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit (PersFrBVG).“
Die Frage ist eher „nur“ noch: Wird die Sicherungshaft ausschließlich für nicht-österreichische Staatsbürger bzw. Flüchtlinge eingeführt, wie die Zuordnung dieser Maßnahme zum Regierungsproramm-Punkt „Asyl“ suggeriert oder muss sie, wenn schon, denn schon, für alle kommen? Eine erwartete Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist schließlich unabhängig vom Aufenthaltsstatus einer verdächtigen Person eine solche, wie man meinen würde.
Doch wovon reden wir: Das sind zwar inhaltlich extrem brisante Fragen, aber die ÖVP hat die Öffentlichkeit so weit für die Sicherungshaft gewonnen, dass dieses Anliegen von einer klaren Mehrheit unterstützt wird. Da kann sie nur noch gewinnen. Und überhaupt: Die Freiheitlichen werden zur nötigen Zeitdrittelmehrheit wohl beitragen und die Grünen werden kaum auskommen, nachdem sie sich schon grundsätzlich darauf eingelassen haben und im Sinne des Koalitionsfriedens darauf verzichten, eine Gegenöffentlichkeit zu mobilisieren.
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Den „türkisen“ Schwarzen geht es um Rauchschleier, hinter denen sie ihre Klientel auf Kosten der Allgemeinheit bedienen können – ist das vielleicht neu? Symbolpolitik kann man nennen, was in Wirklichkeit auf eine Neuauflage der Politik der Dreißigerjahre hinausläuft, in der die ungenierte Umverteilung von unten nach oben betrieben wurde, mit Gewalt, falls „erforderlich“.
Das österreichische Volk, das in Frieden leben und seine Ruhe haben will, wird mit herbeigeredeten Problemen wie gefährlichen Migranten, einem „politischen Islam“, Kopftücheln usw. aufgescheucht und in Unruhe versetzt. Unfrieden zu stiften ist der erste Schritt in Richtung Polizeistaat, der ja bereits in greifbarer Nähe war, mit dem BIMAZ, dem besten Innenminister aller Zeiten [nach eigener Einschätzung].
Was als rechtsextreme Grauslichkeit aus der „deutschnationalen“ Ecke, quasi aus den Bierkellern der rechten Burschenschaften erschien, erweist sich jetzt als „schwarzes“ Repertoire – türkis gab es noch nicht. Mit der Aussicht, die Welt vor der Vernichtung bewahren zu können, sind jetzt auch die „Grünen“ bereit zu „Kompromissen“.
Vielleicht erinnert sich noch der eine oder andere daran, dass das Thema „Sicherungshaft“ schon 2015 unter der Innenministerin Mikl-Leitner aktuell war, also schon lange vor dem türkisblauen Regime. Ich schlug schon damals vor, die entsprechenden Einrichtungen „Konzentrationslager“ zu nennen, weil man sich dann gleich auskennt (http://antikrieg.com/aktuell/2015_11_23_warum.htm).
Nun, wer sich erinnert, der wird sich wohl ordentlich eingeseift fühlen:-)