Schreckschuss für die Grünen

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ANALYSE. Nicht nur die Angriffe auf die Justiz machen deutlich, wie ernst es der ÖVP bei der Abwehr in diversen Affären ist. Anderseits aber müssen sich die Grünen nicht einschüchtern lassen. Im Gegenteil.

„Sprengen die Grünen jetzt ganz gezielt die Regierung – oder regiert das Chaos?“ lautete am vergangenen Samstag eine Überschrift in der Tageszeitung „Österreich“; und zwar namentlich nicht gekennzeichnet, unter dem Titel „Politik-Insider“. Der Inhalt war bemerkenswert: Es handelte sich um eine angebliche Botschaft von ÖVP-Granden an den Koalitionspartner. Die „Justiz-Verfolgung von Pilnacek und Brandstetter“ werde von einer Mehrheit von ihnen „als direkte Kriegserklärung“ an Bundeskanzler Sebastian Kurz und dessen Volkspartei verstanden. In der unmittelbaren Umgebung des Kanzlers sehe man das „vorerst“ zwar weniger dramatisch; dort herrsche aber die Überzeugung vor, dass den Grünen von Vizekanzler Werner Kogler der Justiz-Apparat völlig entglitten sei.

Die ÖVP hat das nicht zurückgewiesen. Von daher könnte etwas dran sein. Aber darum geht es hier nicht: Von wem auch immer die Botschaften wirklich stammen, sie lassen tief blicken. Erstens: Sie verraten, dass das, was die Justiz gerade in mutmaßlichen Korruptionsaffären macht, als unerhört empfunden wird. Zweitens, es wird von den Grünen erwartet, dass sie die Ermittlungsbehörden an die Leine nehmen – was im Umkehrschluss bedeutet würde, dass sie Politjustiz insofern betreiben sollen, als sie dafür sorgen, dass gegenüber bestimmten Personen ein Auge zugedrückt wird.

Das ist ein Warnschuss für die Grünen. Der Volkspartei ist es ernst. Das hat sie in den vergangenen Tagen und Wochen mehrfach deutlich gemacht. Teil 1: Sie hat versucht, die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft zu diskreditieren. Teil 2: Sie drängt auf Anlassgesetzgebung bzw. die Schaffung eines vorgeblich unabhängigen Bundesstaatsanwaltes. Teil 3: Mit Formulierungen wie „falsche Vorwürfe“ oder „Anschuldigungen“ bemüht sie sich, so etwas wie Fakten in der öffentlichen Wahrnehmung zu ihren Gunsten zu schaffen.

Ehemaligen ÖVP-Politikern wie Heinrich Neisser und Franz Fischler („Währet den Anfängen“) geht das entschieden zu weit. Es entspricht jedoch Sebastian Kurz und es ist ihm vor allem ernst: Hier geht es um seine politische Existenz. Kurz ist einst angetreten mit einem „neuen Stil“, der vor allem auch für „Transparenz“ und „Sauberkeit“ stehen sollte. Ist das ramponiert, erleidet er Totalschaden.

Der Schaden ist ohnehin schon beträchtlich: Laut einer Umfrage der Zeitung „Heute“ sagen 28 Prozent, Kurz sei ihnen zuletzt positiv aufgefallen, aber 46 Prozent, negativ. Bei Blümel lauten die Verhältnisse gar 13 zu 53 Prozent. In Verbindung mit den sinkenden Vertrauenswerten aufgrund des Corona-Krisenmanagements und dem Hang, sich allein an Beliebtheitswerten zu orientieren, sind das bittere Pillen.

Andererseits: Im Sinne einer wirklich unabhängigen Justiz beruhigend ist, dass sich Grüne nicht einschüchtern lassen müssen. Im Gegenteil: Sie können hier bei ihren Anhängern wieder Zuspruch zurückerobern, den sie aufgrund ihrer Ohnmacht bei „Moria“ und Abschiebungen verloren haben. Davon zeugt etwa ein Interview mit Terezija Stoisits im „Kurier“: Ihr Grant auf die Partei sei groß gewesen, jetzt aber habe die Partei kapiert, dass sie selbstbewusster auftreten müsse.

Tatsächlich ist die ÖVP für den Moment in einer schwächeren Position: Zumal verstrickt in diverse Affären, kann es sich Sebastian Kurz nicht zum dritten Mal innerhalb von vier Jahren leisten, eine Koalition zu beenden.

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