Richtlinienkompetenz „vergessen“

ANALYSE. Dass Sebastian Kurz seine Wahlkampfforderung nicht wahrgemacht hat, zeigt, wie wirkungslos das Instrument ist. 

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ANALYSE. Dass Sebastian Kurz seine Wahlkampfforderung nicht wahrgemacht hat, zeigt, wie wirkungslos das Instrument ist.

Bundeskanzler Sebastian Kurz hatte die Forderung nicht irgendwo erhoben. Sondern auf dem offiziellen ÖVP-Wahlkampfauftakt Ende September in der Wiener Stadthalle; vor 10.000 Anhängern. Deutschland habe es weit gebracht, sagte er da. Und. „Wir können es auch, wenn wir klare Verhältnisse schaffen.“ Wie? Unter anderem durch eine Richtlinienkompetenz für den Regierungschef, denn dieser muss laut Kurz die Möglichkeit haben, zu führen und zu entscheiden.

Wäre man böswillig, könnte man heute sagen, Kurz wolle nicht führen und entscheiden; die Richtlinienkompetenz steht nämlich nicht im Regierungsprogramm. Doch das wäre zu billig; es würde anerkennen, dass eine Richtlinienkompetenz unverzichtbar ist.

Die deutsche Kanzlerin kann ihre Richtlinienkompetenz einrexen. Einsetzbar ist sie nicht. 

Sie ist es nicht. In Deutschland weiß man das: Die Kanzlerin kann ihre Richtlinienkompetenz einrexen. Einsetzbar ist sie nicht. Und zwar aus mehreren Gründen: Angela Merkel würde zunächst einmal eingestehen, dass sie null Autorität hat. Dass die Mitglieder ihres Kabinetts also nicht auf sie hören und sie daher gezwungen ist, ein solches Zwangsmittel zu nützen. Wie ein Chef, der brüllen und mit Kündigungen drohen muss, damit geschieht, was er möchte. Im Grunde genommen zeigt er damit nur, dass er mit seinem Latein am Ende ist. Abgesehen davon ist es schlicht undenkbar, dass ein Kanzler einem Vertreter des Koalitionspartners diktiert, was er zu tun hat. Das wäre ein Hinweis darauf, dass die Koalition nicht mehr funktioniert.

So gesehen hätte Kurz schon allein durch ein Beharren auf die Einführung einer ohnehin unbrauchbaren Richtlinienkompetenz den Freiheitlichen signalisiert, dass er ihnen grundsätzlich misstraut. Womit auch nachvollziehbar wird, warum er diese Forderung im Wahlkampf überhaupt erhoben hat: Sie war im Kontext mit der bisherigen Regierung zu sehen; sie sollte unterstreichen, wie unmöglich eine rot-schwarze Zusammenarbeit aus seiner Sicht schon damals war.

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