Es ist, was es ist: Korruption

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ANALYSE. Eine Lehre aus den geheimen Nebenabsprachen der Regierung: Es muss härter gegen Machtmissbrauch vorgegangen werden, der in der Regel ohnehin ganz offen praktiziert wird.

Die Gratiszeitung „Heute“ hat wieder einmal bemerkenswertes geliefert. Die Vorgeschichte: Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), der geheime Nebenabsprachen zum Regierungsprogramm zunächst noch als „völlig normal“ bezeichnet hatte, kündigte am Mittwoch via „Krone“ an, dass es das in künftigen Regierungen nicht geben werde mit ihm. Das ist eine Botschaft. Andererseits: Ob Nehammer jemals in die Verlegenheit kommen wird? Es ist möglich, aber nicht sicher. Und wenn es sich um einen Parteikollegen von ihm handeln sollte, was dann? Werden solche Praktiken dann einfach fortgesetzt? „Heute“ erkundigte sich also nach einem Verbot, das das Kommen und Gehen von Politikern überdauert. Nein, ein solches sei nicht angedacht, antwortete ein Sprecher laut der Zeitung.

Nun könnte man darüber streiten, wie sehr sich derartiges überhaupt regeln lässt. In einem Land, in dem Unverschämtheiten völlig normal sind, sollte man sich jedoch nicht weiter aufhalten damit: So sehr Politik vertrauliche Räume benötigt, so sehr muss man feststellen, dass sie nicht nur, gerne aber auch diese für Korruption verwendet.

„Korruption ist der Missbrauch anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil“, lautet eine Definition, die der deutsche Teil von „Transparency International“ anbietet. Das ist zu eng gefasst: Es kann außerdem um den Nutzen der Partei oder Bewegung gehen, der man angehört.

Im Falle des ORF wurde auf Basis diverser Sideletter-Vereinbarungen schamlos Korruption betrieben. Stiftungsräte wurden etwa als Handlanger von Bundesparteien betrachtet. Zu viele ließen das mit sich machen. Das ist kein Kavaliersdelikt. Stiftungsräte haben laut ORF-Gesetz dieselbe Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit wie Aufsichtsratsmitglieder einer Aktiengesellschaft. Verletzen diese ihre Obliegenheiten, sind sie laut Aktiengesetz „zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet“. Das ist nicht nichts.

Es verdeutlicht mehrere Dinge: Erstens, Regierungsparteien bzw. ihre wichtigsten Vertreter, die als Kanzler, Minister oder Abgerodnete(r) auf die Verfassung angelobt sind, scheren sich bisweilen einen Dreck um die Einhaltung von Gesetzen. Zweitens, Stiftungsräte, die sich eher einer Partei als ihrer gesetzlichen Aufgabe verpflichtet sehen, tun das genauso wenig; sie riskieren damit sogar, eines Tages zur Kasse gebeten zu werden.

Diese Korruption gibt es in vielen Bereichen: Laut türkis-grünem Sideletter ist jede „Regierungspartei“ für Personalentscheidungen in ihrem Zuständigkeitsbereich (Ministerium) „direkt verantwortlich“. Genau genommen scheidet damit jeder Ministerkandidat aus, der seine Aufgaben und Pflichten ernst nehmen möchte. Er kann das ja nur beschränkt tun, weil das zu einem Teil von der Partei erledigt wird. Das Problem ist jedoch, dass er vom Parlament mit einem Misstrauensvotum belegt werden kann, nicht sie. Sie maßt sich hier eine unerträgliche Rolle an.

Von der Politik ist nicht zu erwarten, dass sie all das ändern wird. Medien sind mehr denn je gefordert, einen entscheidenden Beitrag zu leisten. Wenn es etwa von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) vielversprechend heißt, das Amtsgeheimnis werde abgeschafft, Informationsfreiheit eingeführt, sollte man das bezweifeln,. Warum? Zu einem Anlauf vor fünf Jahren, der in wesentlichen Zügen dem zuletzt bekannten entspricht, schrieb der Staatsrechtler Ewald Wiederin folgendes: „Das Geheimhaltungsprinzip wäre nicht abgeschafft worden, es hätte nur die Kleider gewechselt, es hätte sich einen Tarnanzug übergezogen und dadurch an Kraft gewonnen.“ Umso wichtiger wäre ein Informationsschutzbeauftragter, der der Öffentlichkeit zu ihrem Recht verhilft. Allein: Ein solcher war bisher nicht vorgesehen. Bestärkt durch einen Experten wie Wiederin sollte man also damit rechnen, dass bald eher nur Blendwerk kommt, aber anerkennen, wenn sich herausstellt, dass sich doch Nennenswertes verbessert.

Das gehört zu Journalismus: Ankündigungen Ankündigungen sein lassen, Ergebnis und Praktiken konsequent abklopfen und ständig dokumentieren. Selbstverständlich gibt es diesen Journalismus, wie die vergangenen Wochen und Monate gezeigt haben. Ohne seinen Beitrag wäre Sebastian Kurz vielleicht noch Bundeskanzler und Thomas Schmid ÖBAG-Vorstand. Die Ausleuchtung diverser Machenschaften ist nicht allein der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) oder der Opposition und sogar Grünen im parlamentarischen U-Ausschuss zu verdanken.

Medien gehören aber gestärkt. Ihre Unabhängigkeit wird auch durch eine Parteipolitik bedroht, die wesentliche Posten im ORF mit „unseren Leuten“ oder Männern und Frauen besetzt, von denen sie ausgeht, dass sie funktionieren. Wobei man genau hinschauen muss: Das entspricht besonders einem schwarz-türkisen, kurzjährigen blauen und langjährigen roten Zugang. Auf zackzack.at berichtet der unabhängige Ex-Sitftungsrat Franz Küberl etwa, was im GD-Wahlkampf 2016 war: „Ich habe selten so viel Druck erlebt, von beiden Seiten, ÖVP und SPÖ.“ Die Grünen sehen sich bei solchen Dingen wenigstens in einer Zwickmühle: „Wenn wir nicht mitspielen, sind wir naiv, wenn wir mitspielen, sind wir korrupt.“ Sie können allenfalls nur das Beste daraus machen und darauf achten, was sie in einem Sideletter durchgesetzt haben; „dass alle Besetzungen auf Basis von Kompetenz und Qualifikation erfolgen“. Ausreichend ist es nicht.

Doch zurück zu den Medien, deren Unabhängigkeit hier angegriffen wird: Das geschieht im Übrigen durch Inserate. Gerade in Zeiten, in denen Werbeerlöse an Google und Facebook abfließen und es aufgrund von Reichweitenverlusten überhaupt schwieriger wird, sorgen sie für Abhängigkeitsverhältnisse. Die Debatte sollte daher nicht sein, wie Inserate nachvollziehbar und gerecht vergeben werden könnten, sondern wie eine ordentliche Medienförderung ausschauen könnte. Das wäre ein hochgradiger, qualitativer Unterschied. Eine gute Medienförderung könnte gezielt das stärken, wovon Österreich noch mehr braucht: Journalismus.

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