ANALYSE. In der Krise wird der Regierung und ihren Mitgliedern ein Kommunikationsversagen zum Verhängnis. Sie haben sich in der Vergangenheit zu sehr auf teure Kampagnen verlassen, haben verlernt, sich selbst zu erklären und Beziehungen zu pflegen.
„Wie Robert Habeck kommuniziert“, lautet der Titel eines Videos, das das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ über die Art und Weise erstellt hat, in der sich der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) an Bürgerinnen und Bürger wendet. Direkt nämlich, über kleine Videos, die wie Selfies wirken. Als Betrachter hat man das Gefühl, von dem Mann persönlich angeschaut und vor allem auch angesprochen zu werden. Als wäre sonst niemand dabei, würde es sich um eine vertrauliche Angelegenheit handeln. Habeck schildert die Gaskrise, erklärt, was droht und was er tut, um Schlimmeres zu vermeiden. Diese Videos könnten auch von einem Influencer stammen, der seine Leute mit auf eine Reise nimmt, kommentiert der „Spiegel“ treffend. Das ist der Punkt.
Es sagt nichts darüber aus, ob Habeck einen guten oder bestmöglichen Job in der Sache macht. Es ist aber wichtig, weil er durch diese Form der Kommunikation, die er erst im Frühjahr gestartet hat, versucht, eine Beziehung zwischen überforderter Politik und verunsicherten Bürgerinnen und Bürgern aufzubauen. Habeck vermittelt dabei etwas Wertschätzendes, redet Klartext, betont bei diversen Gelegenheiten etwa, dass die Armut zunehmen wird und die Gesellschaft Wladimir Putin nicht den Gefallen machen darf, sich spalten und Demokratiezerstörer aufkommen zu lassen. Umfragen vermitteln den Eindruck, dass sehr viele Menschen all das anerkennen. Im Juni waren 52 Prozent der Deutschen zufrieden mit Habeck.
Österreichische Politikerinnen und Politiker sind weit von einem solchen Wert entfernt. Wenn man sich allein Aussagen der vergangenen 24 Stunden in Erinnerung ruft, überrascht das nicht. In der „Kronen Zeitung“ wird ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner mit folgenden Worten zu einer Sommer-Kampagne ihrer Partei zitiert: „Alle Minister, der Kanzler, Nationalräte, Bundesräte und ich selbst sind im ganzen Land unterwegs, um den Menschen auf Augenhöhe unsere Projekte nahezubringen.“ Wohl unfreiwillig schwingt da etwas Überhebliches mit: Man wird sich zu den Menschen hinunterbegeben. Sich bemühen, ihnen etwas mitzuteilen, was sie möglicherweise eh nicht verstehen. Schlimmer: Es handelt sich nur um eine Ankündigung. Noch nicht um die Umsetzung von etwas Überfälligem, geschweige denn eines zeitgenössischen Kommunikationsstils, wie er von Habeck gepflegt wird, um Hunderttausende persönlich zu erreichen, wenn es gerade nötig erscheint. Nach vielen Monaten lässt sich das nicht nachholen.
Die Regierung teilte nach dem Ministerrat mit, dass es eine Gas-Informationskampagne geben werde, um der Angstmache durch Wladimir Putin entgegenzutreten. Das entspricht dem teuren, aber eher unpersönlichen Stil, der seit Jahren praktiziert wird. Dabei hätte man spätestens in der Coronapandemie erkennen können, dass Möglichkeiten wie Wirkungen begrenzt sind. Siehe Impfung: Es hat nicht gereicht, ein paar Promis einzusetzen und Werbesports zu veröffentlichen. Wie auch? Impfen ist vielen etwas Suspektes. Sie müsste man direkt ansprechen. Und vorher müsste man die Motivlagen untersuchen. Dazu wäre es wiederum nötig, zum Beispiel wissenschaftliche Projekte wie das „Corona Panel“ der Uni Wien zu unterstützen, dass regelmäßig Stimmungslagen untersucht, auch wenn Ergebnisse wehtun. Bezeichnend: Dieses Projekt, das in ein dauerhaftes Krisen-Panel umgewandelt gehört, ist aus finanziellen Gründen gefährdet. Es ist der Regierung bisher nichts wert gewesen.
Information über irgendeine Kampagne ist auch etwas sehr Grünes geworden. Vielleicht liegt es daran, dass die Partei von Werner Kogler und Leonore Gewessler nie den Anspruch hatte, eine größere Masse zu überzeugen; dass sie sich eher darauf konzentrierte, zu fordern, was sie für richtig hält, aber vernachlässigte, 20, 30 Prozent dafür zu gewinnen. Klar, das wäre eine Kunst, harte Arbeit. Andererseits: Die deutschen Grünen haben derzeit das Potenzial, es zu schaffen.
Als Energieministerin spricht Gewessler die Bürgerinnen und Bürger jedenfalls nie persönlich an. Im Ö1-Morgenjournal vom 5. Juli lieferte sie überwiegend technische Ausführungen, wonach es klare Kriterien für eine Gas-Alarmstufe gebe, dass Sicherheitsmaßnahmen auf den Weg gebracht worden seien und so weiter und so fort. An den Fragen allein kann das nicht liegen. Es ist wohl auch Unvermögen. Jeder Satz hat das Potenzial, Entfremdung zu vergrößern.
Oder der neue steirische Landeshauptmann Christopher Drexler (ÖVP), der am Abend zuvor in der ZIB2 darauf angesprochen wurde, dass die „Energie Steiermark“ und die „Energie Graz“ mit Ende August fast 40.0000 Kundinnen und Kunden Strom- und Gasverträge kündigen sowie die Preise für Neuverträge um 50 bis 60 Prozent erhöhen wird. Antwort: Die Großhandelspreise für Gas seien um 300 Prozent gestiegen, „nun gibt es moderate Preiserhöhungen auch für die Kunden“. Freilich: In Relation mag das korrekt sein. Für die vielen, die schon jetzt kaum noch über die Runden kommen, ist das aber kein Trost, sondern eine Provokation. Es verdeutlicht ihnen, dass Drexler so gar kein Gefühl für ihre Lage hat. Auch er spricht denn auch von „den Menschen“. Gerade, dass er kein „Draußen“ hinzufügt. Dann wäre offensichtlich, dass er sich in einer anderen Liga als die „die Menschen draußen“ wähnt.
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