Alles richtig, alles gut?

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ANALYSE. Gerade weil eine zweite COVID-19-Welle möglich, ein „Shutdown 2“ aber unmöglich ist, sollte die Regierung alles überprüfen und viel mehr Transparenz walten lassen.

COVID-19 darf nicht unterschätzt werden. Es darf aber auch nicht so getan werden, als wären alle Maßnahmen, die die Regierung getroffen hat, alternativlos gewesen. Zumal schon auch extra nachgeholfen worden ist, damit ein solcher Eindruck entsteht: „Alle Studien belegen: Hätten wir diese Schritte nicht gesetzt, dann gäbe es eine massive Ausbreitung in Österreich mit bis hin zu über 100.000 Toten“, zitiert das Nachrichtenmagazin „profil“ Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), um zu berichten, keine entsprechende Studie gefunden zu haben. Vorübergehend (!) sei auf der Website der Regierung nur ein Dokument gestanden, wonach „Modelle“ bei einer längerfristig höheren Reproduktionsrate „etwa 100.000 zusätzliche Tode voraussagen“ würden.

Damit kein Missverständnis entsteht: Alles spricht dafür, dass die Regierung nach bestem Wissen und Gewissen gut und richtig gehandelt hat, als sie Mitte März die Republik stilllegte. Bilder aus Italien und sonstige Erfahrungsberichte waren eine zu deutliche Warnung. Und überhaupt: Österreich ist vom Coronavirus ungefähr so getroffen worden, wie es bei einer Karibikinsel der Fall wäre, auf der plötzlich zwei, drei Meter Schnee liegen. Da ist niemand, der weiß, was zu tun ist. Und überhaupt: Es fehlt an allem. Auf der Insel an Schaufeln, bei uns an so Banalem wie Schutzmasken.

Was trotzdem aber einen Zweifel zurücklässt, ist, dass die Regierung nicht mit offene Karten sowie Aussagen arbeitet, die einigermaßen nachvollziehbar sind. Auf welche Experten und Untersuchungen man sich beruft, ist nur in Ausnahmefällen bekannt.

In der Schweiz, die von der Katastrophe noch viel härter getroffen worden ist, bemüht man sich von allem Anfang an, einen anderen Weg zu gehen. Regierungsstellen haben dort zur Entscheidungsfindung die „Swiss National COVID-19 Science Task Force“ eingerichtet. Dutzende Wissenschaftler arbeiten in dieser Organisation (mit eigener Website) an Lösungsmöglichkeiten. Nicht nur für die Gesundheitskrise. Sondern auch für die Wirtschaftskrise. Ja, eine eigene Gruppe beschäftigt sich ausschließlich mit ethischen, rechtlichen und sozialen Fragestellungen. Was im Übrigen zeigt, welchen Stellenwert man juristischen Problemen beimisst. Das jedoch nur nebenbei.

Der Punkt ist: Die österreichische Regierung wäre gut beraten, sich ein Beispiel daran zu nehmen. Sebastian Kurz verfügt über ausgezeichnete Vertrauenswerte. Weil er aber kein Arzt, geschweige denn Epidemiologe und auch kein Ökonom ist, könnte er seinen Ankündigungen unter Zuhilfenahme entsprechender Expertisen viel mehr Gewicht verleihen.

Das ist das eine. Das andere: Wir müssen mit einer zweiten Infektionswelle rechnen. Oder mit vielen kleineren. Bisherige Lösungen werden dann nicht mehr anwendbar sein: Ein „Shutdown 2“ würde möglicherweise tausende Leben retten, aber viel mehr Existenzen und Perspektiven kosten – zehntausende Unternehmen würden das nicht überleben, hunderttausende Arbeitsplätze wären weg und würden sich in absehbarer Zeit nicht ersetzen lassen. Dafür wird man kreative Lösungen entwickeln müssen, die summa summarum möglichst vielen dienen.

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