Zurück zur Wahlpflicht

ANALYSE. Gerade bei EU-Wahlen sind die österreichischen Parteien zu sehr gezwungen, zu provozieren und Politisches hintanzustellen.

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ANALYSE. Gerade bei EU-Wahlen sind die österreichischen Parteien zu sehr gezwungen, zu provozieren und Politisches hintanzustellen.

Schon bei Nationalratswahlen ist es für die Parteien nicht einfach, Wähler zu ihren Gunsten zu mobilisieren. 2017 sind immerhin 1,3 Millionen zu Hause geblieben. Das entspricht etwa der Zahl der Stimmen, die sowohl SPÖ als auch FPÖ erhalten haben. Ungleich schwieriger ist die Mobilisierung jedoch bei EU-Wahlen: In diesem Fall ist 2013 überhaupt mehr als die Hälfte der Wähler daheim geblieben. Die Wahlbeteiligung belief sich in Österreich auf gerade einmal 45,39 Prozent. Damit lag sie nur unwesentlich über dem EU-Schnitt von 42,61 Prozent und war andererseits nur halb so hoch als etwa in Belgien (89,64 Prozent) und Luxemburg (85,55 Prozent).

Wie bringt man müde Wähler zur Urne? Diese Frage beschäftigt jede Partei. Die ÖVP versucht es mit einem Sowohl-als-auch-Angebot: Jene, die eher schwarz sind, haben mit Othmar Karas genauso ein Angebot, wie jene, die an Türkis Gefallen gefunden haben; für sie steht Innenstaatssekretärin und Strafrechtsverschärferin Karoline Edtstadler bereit. Die Grünen sehen sich in ihrer Krise wiederum gezwungen, auf den Promifaktor zu setzen. Und zwar mit der Fernsehköchin Sarah Wiener auf Listenplatz 2.

Der Promifkator, bei dem immer auch eine gewisse Absage an das Politische mitschwingt, ist bei EU-Wahlen überhaupt sehr beliebt. In den 1990er Jahren hatte die ÖVP mit Ursula Stenzel damit angefangen, zuletzt setzte die SPÖ ebendies mit Eugen Freund fort. Bei beiden ORF-Journalisten ging es zunächst einmal ausschließlich um ihre Bekannt -und Beliebtheit – allein das schon sollte entscheidende Stimmen bringen.

Es ist kein Zufall, dass der FPÖ-Spitzenkandidat ein echter Scharfmacher ist.

Besonders gefordert sieht sich die FPÖ: Es ist kein Zufall, dass ihr Spitzenkandidat Harald Vilimsky ein echter Scharfmacher ist, der sich beispielsweise nicht zu dumm ist, Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker schwerwiegende Alkoholprobleme zu unterstellen. Oder Karas wörtlich einen „Fehdehandschuh“ hinzuschmeißen, also sprichwörtlich zum Krieg aufzufordern.

Dieses Lärmen steht wohl in einem direkten Zusammenhang mit dem Wahlaussichten der FPÖ: Sind sie schlecht, muss Vilimsky nachlegen, sind sie gut, kann er sich ein bisschen zurückhalten – dann hat er genügend EU-kritische Wähler mobilisiert.

Man könnte das Ganze natürlich auch entschärfen. Durch die Wiedereinführung der Wahlpflicht nämlich. Zumindest das jedenfalls spricht dafür: Parteien müssten sich nicht mehr so verzweifelt verbiegen, Hand- und Kopfstände machen, um genügend Frauen und Männer zur Teilnahme am Urnengang zu bewegen. These: Das wäre ein Beitrag zu weniger Radikalität und wieder mehr Politik in der Politik.

In den eingangs erwähnten Ländern Belgien und Luxemburg, die die höchste Beteiligung bei EU-Wahlen haben, herrscht übrigens Wahlpflicht.

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