ANALYSE. Zeit für Werner Kogler und Co., sich bewusst zu werden, was sie in der Zusammenarbeit mit der ÖVP alles schlucken, ja sogar verteidigen.
Die Lage ist schwierig, die Aussichten sind übel: Die Rede ist von den Grünen. In der Regierung bestimmt zunehmend die ÖVP mit Inhalten den Kurs, die ihnen missfallen müssen, zu denen sie aber schweigen oder die sie aus falsch verstandener Loyalität verteidigen. In der Hoffnung vielleicht, doch noch ein Dankeschön in Form eines Klimaschutzgesetzes zu erhalten. Dazu hat der türkise Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) aber gerade wissen lassen, dass es nicht die oberste Priorität habe für ihn. Jetzt gehe es um die Energiesicherheit.
Wann gewählt ist, ist schwer zu sagen. Stand heute wäre für die Grünen wohl nicht so sehr ihr eigenes Abschneiden schlimm, sondern vielmehr das von FPÖ, SPÖ und ÖVP: Eine Zweiparteienkoalition mit ihrer Beteiligung geht sich nicht mehr aus und selbst eine Dreiparteienkoalition unter roter oder türkiser Führung bzw. mit ihnen und den Neos kommt eher nicht (mehr) zu einer Mehrheit. Das bedeutet für sie, dass sie sich mit dem Gedanken an eine Rückkehr auf die Oppositionsbank anfreunden müssen. Was insofern bitter ist, als dort auch die Neos neben ihnen sitzen dürften bzw. mit Blau- oder Rot-Türkis zu rechnen ist. Mit beidem würde keine Veränderung einhergehen, wie sie notwendig wäre. Aber das ist eine andere Geschichte.
Derzeit prägt die ÖVP den Regierungskurs. Und zwar so, dass es Grünen nicht nur nicht gefallen kann, sondern dass sie schreien müssten. Stattdessen fressen sie jedoch den Unmut über das Schengen-Veto genauso in sich hinein wie über die Partnerschaft mit Viktor Orbán, der Geflüchteten auch nur menschenrechtliche Mindeststandards verwehrt. Oder sie tragen die wirkungslose Ausweitung der Inseratentransparenz ebenso mit wie die Einstellung der „Wiener Zeitung“. Wobei es um ein Weniger an Journalismus und Meinungsvielfalt, also auch Demokratiepflege, geht. Mediensprecherin Eva Blimlinger verteidigt die Einstellung mit dem Hinweis, dass kein Übernahmeangebot von Privaten vorliege. Sie erklärt sich das unter anderem damit, dass eine Printtageszeitung „kein Zukunftsinvestment“ sei.
Ausgerechnet Grüne reden so. Es ist ihrer nicht würdig: Zum einen gibt es von türkiser Seite ohnehin kein Interesse, die Zeitung zu verkaufen; sie soll vielmehr als Teil eines „Message Control“-Systems online erhalten und um eine ebenfalls staatliche Journalismusausbildung ergänzt werden. Zum anderen könnte man mit dem Hinweis „kein Zukunftsinvestment“ genauso gut auch Theater zusperren. (Was man hoffentlich nicht tun wird.)
Von der grünen Regierungsbeteiligung werden selbstverständlich Akzente bleiben. Das Klimaticket etwa. Oder der Einstieg in die CO2-Bepreisung. Oder die Valorisierung von Sozialleistungen sowie eine kräftige Erhöhung des Pflegebudgets. Genau das aber könnte sich noch als Pyrrhussieg herausstellen: Es ist nämlich offengelassen worden, wie das längerfristig neben all den anderen Kosten und nach Abschaffung der kalten Progression finanziert werden soll. Je nach Regierungskonstellation in naher Zukunft wird es daher auf Steuererhöhungen oder Leistungskürzungen hinauslaufen. Womit Errungenschaften von heute wieder weg wären.