Wovor fürchten sich die Grünen?

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ANALYSE. Die Partei wirkt ängstlich und verkrampft. Dabei hätte sie verdammt gute Gründe, selbstbewusst zu sein – gerade auch in der Regierung.

Grünen-Sprecher Werner Kogler und seine Leute könnten zufrieden sein: Nach eineinhalb Jahren in der Regierung, zwei Rücktritten in ihrer dortigen Riege, außerordentlich großen Herausforderungen im Zusammenhang mit der Coronakrise, einer ÖVP, die zunehmend weniger Lust an Ökologisierung zeigt und im Übrigen den Verfassungsbogen strapaziert, liegen sie in Umfragen noch immer im Bereich ihres Nationalratswahlergebnisses von 2019 (13,9 Prozent). „profil“ und „Standard“ weisen ihnen 13 Prozent aus, bei „Österreich“ sind es zwölf.

Und überhaupt: Nach all dem Erwähnten ist die Zustimmung, die Kogler und Co. auf dem Bundeskongress (Parteitag) an diesem Wochenende erfahren haben, höher einzustufen als das grüne Licht, das sie ebendort einst für die Regierungsbeteiligung erhalten haben. Immerhin hat damals, Anfang 2020, die ÖVP an ihrer Seite noch nicht die Justiz angegriffen oder in Nacht-und-Nebel-Aktionen gut integrierte Kinder abschieben lassen (bzw. verhindert, dass Mädchen und Buben aus griechischen Lagern aufgenommen werden).

Insofern muss man sich wundern, wie wenig Selbstbewusstsein die Grünen-Führung zeigt: Davon zeugen nicht nur Berichte darüber, wie auf dem Bundeskongress etwa Medienfragen an Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein abgeblockt wurden, sondern mehr noch der ursprüngliche Plan, die Presse von den Tagesordnungspunkten Wortmeldungen und Debatte sowie Präsentation des Abstimmungsergebnisses über den Leitantrag ganz auszuschließen.

Das hat Züge von „Message Control“, wie er kennzeichnend für Bewegungen ist, die vorgeben, so perfekt und geschlossen zu sein, wie es schon ab einer Gruppe von zwei, drei selbstständig denkenden Menschen unmöglich ist, aber gepflegt wird, wenn alles nur Show ist und man glaubt, eine Anhängerschaft zu haben, der das zumutbar ist. Anders ausgedrückt: Gerade bei den Grünen ist es widersprüchlich.

2017 haben solche Methoden mit zu ihrem Niedergang geführt. Heute wären sie weniger denn je notwendig, weil zum Beispiel kritische Wortmeldungen zur Fortsetzung der Koalition um schier jeden Preis nicht irritierend, sondern nahliegend wären und die Glaubwürdigkeit der Grünen daher sogar stärken könnten.

Vor allem aber würde sich die Partei in einer bemerkenswert starken Position befinden: Die 13 Prozent, die sie in Umfragen noch immer hält, deuten auf zwei, drei Dinge hin. Zunächst einmal gibt es kaum Konkurrenz auf bundespolitischer Ebene. Weniger als ihr Vorgänger Christian Kern bemüht sich SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner um Mitte-Links-Wähler. Ihr Vorstoß, die Wartezeit auf die Staatsbürgerschaft zu verkürzen, bildete hier eher eine Ausnahme.

Außerdem scheint bei den Grünen goutiert zu werden, dass sie letztlich doch nicht alles hinnehmen, was die ÖVP macht, sondern sich insbesondere bei den Angriffen auf die Justiz dagegenstellen. Wobei mehr möglich wäre: Gesundheitsminister Mückstein ist wie Rudolf Anschober wohl auch so bliebt bei Funktionären (und laut „Heute“-Politikerranking bei einer breiteren Öffentlichkeit), weil er eine Antithese zum – vermeintlich – perfekt durchgestylten und fehlerlosen Sebastian Kurz ist und das vor allem auch zeigt.

Das ist das eine. Das andere: Die türkise ÖVP kann weniger als alle anderen Parteien Neuwahlen brauchen. Sie würde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gegenüber 2019 (37,5 Prozent) verlieren. Zusätzlich zum Umstand, dass sie in der Vergangenheit bereits Koalitionen mit SPÖ und FPÖ aufgekündigt hat, würde das ihre Position im Hinblick auf eine nachfolgende Regierungsbildung erheblich schwächen. Sprich: Kurz muss froh sein, wenn ihm die Grünen treu bleiben.

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