Wie sich die FPÖ Probleme zurechtrichtet

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ANALYSE. Die FPÖ fordert eine Deutschpflicht für Pflegekräfte und warnt vor einem Pflegenotstand. Ein bezeichnendes Beispiel dafür, wie ihre Politik funktioniert.

Freiheitliche Politik funktioniert unter anderem so: Herbert Kickl und Co. definieren, wie schon ihre Vor- und Vorvorgänger, ein Problem und sorgen dann dafür, dass es eines bleibt. Sie leben schließlich vom Unmut, der in Teilen der Bevölkerung mit dem Problem einhergeht – und nicht davon, Lösungen zu präsentieren, geschweige denn durchzusetzen.

Konkretes Beispiel: ORF.AT hat gerade berichtet, dass FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch eine Deutschpflicht für Pflegekräfte fordere und vor einer Personalnot im Pflegeberich warne. Dem nicht genug, meint sie, dass die Absicht, Pflegekräfte aus Marokko anzuwerben, nett sei, aber nicht funktionieren werde: Zu bezweifeln sei, dass Muslime die Körperpflege bei älteren Frauen übernehmen würden.

Man könnte glauben, Belakowitsch bemühe sich um eine Vergrößerung des Pflegenotstandes. Was heißt! Sie tut, was sie kann. Die Ausgangslage: Bis 2030 werden laut einer Studie, die im Auftrag des Sozialministeriums 2019 erstellt worden ist, rund 75.000 Pflegekräfte benötigt in Österreich. Sie in Österreich zu bekommen, wird jedoch schwierig. Erstens: Die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter wird bis dahin noch um rund 130.000 zurückgehen. Zweitens: Mögliche Arbeitskräftepotenziale werden zum Teil gezielt blockiert. In Niederösterreich haben die Freiheitlichen mit der Johanna-Mikl-Leitner-ÖVP vereinbart, Kinderbetreuung im Familienverband aufzuwerten. Sprich: Mütter sollen Kinder hüten.

Drittens: In Verbindung mit einer Politik, deren größtes Anliegen es ist, Akzente gegen nicht-österreichische Staatsangehörige zu setzen, wird es immer schwieriger, den Pflegepersonalbedarf auch nur annäherungsweise durch Zuwanderung zu decken. Die Bandbreite reicht von der Festung mit geschlossenen Grenzen, die Kickl schaffen möchte, bis zur – aufgrund eines Höchstgerichtsurteils wieder aufgehobenen – Indexierung der Familienbeihilfe, die von Türkis-Blau einst beschlossen wurde: Wer soll in ein solches Land zuwandern wollen, um hier zu arbeiten? Schlimmer: Durch das Schengen-Veto hat die Bundesregierung (ohne FPÖ-Beteiligung) gerade auch noch ein Signal gegen Bulgarien und Rumänien gesetzt, das dort schlicht als pauschal abweisend wahrgenommen wird. Noch schlimmer: Vor allem auch von dort könnten vielleicht mehr Pflegekräfte kommen.

Und jetzt eben die Deutschpflicht für Pflegekräfte, die es insofern bereits gibt, als zur Berufsausübung Deutschkenntnisse vorliegen müssen. Aber darum geht es der Partei nicht. Das zeigt die Botschaft, dass man muslimische Kräfte sowieso nicht haben möchte, weil sie – böswillige Unterstellung – für Gesundheitsberufe nicht brauchbar seien. Als wollten hunderttausende Menschen aus aller Welt nach Österreich kommen, um eine schwere, aber schlechtbezahlte Arbeit zu machen; als könne man ihnen beliebig viele Hürden in den Weg stellen und sich dann noch immer aussuchen, wen man nimmt. Was für eine Illusion: Die Leute können sich zunehmend aussuchen, wohin sie gehen. In allen Industrieländern werden sie gebraucht.

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