Wie lange will Kurz?

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ANALYSE. Auch das Programm der zweiten Regierung von Sebastian Kurz ist eher auf den schnellen Erfolg bzw. das Populäre ausgelegt – und nicht auf Nachhaltigkeit.

Das Wohlfühlprogramm für österreichische Staatsbürger geht weiter. Wie schon bei der ersten Regierung von Sebastian Kurz (ÖVP), der türkis-blauen, sind auch bei der nunmehrigen, der türkis-grünen, eher nur Entlastungen fix. Im Übrigen soll im Wesentlichen alles bleiben, wie es ist. Das ist seltsam: Auf Dauer kann sich diese Rechnung nicht ausgehen, wie auch die Aussagen von WIFO-Chef Christoph Badelt im Ö1-Journal zu Gast vom 4. Jänner untermauern. Ja, man kann sich nur wundern: Schon allein im Sinne einer nachhaltigen Absicherung seiner Kanzlerschaft sollte Kurz an strukturellen und vielleicht halt auch weniger populären Maßnahmen interessiert sein, wie man meinen würde.

Nachhaltig ist das Regierungsprogramm eher nur in einem Punkt: dem Klimaschutz. Aber auch das ist bezeichnenderweise relativ: Öffentlicher Verkehr, Photovoltaikanlagen und dergleichen sollen mit viel Geld ausgebaut werden. Steuerliche Lenkungsmaßnahmen (Stichwort „CO2-Besteuerung“) sind offen. Dazu soll erst eine „Taskforce“ eingerichtet werden.

Der Kurs von Sebastian Kurz ist nachvollziehbar; er orientiert sich an dem, was populär ist und beschert dem 33-Jährigen bisher denn auch große Wahlerfolge: Eine Mehrheit fühlt, dass Migration ein großes Thema ist; eine Mehrheit meint, zu viel „dem Staat abliefern“ zu müssen – und will daher entlastet werden. Beides garantiert Kurz.

Man muss jedoch weder ein Budgetexperte noch ein Wirtschaftsforscher sein, um zu erkennen, dass sich das langfristig nicht ausgehen kann. Dass Kurz im Sinne eines langfristigen Erfolgs also auch Pensions-, Pflege- und Gesundheitsreformen ganz konkret angehen müsste, um drei wesentliche Beispiele zu nennen.

Auch im neuen Regierungsprogramm ist jedoch wenig bis gar nichts dazu enthalten. Bis 2030 wird der Anteil der ab 65-Jährigen um ein Viertel zunehmen. Und weil die Pensionen nun einmal umlagefinanziert sind, bedeutet das eine weitere, schwerwiegende Lastenverschiebung zu den Jüngeren. Sprich: Will man dem entgegenwirken oder verhindern, dass künftige Pensionen noch stärker gekürzt werden müssen als dies durch die Ausweitung des Durchrechnungszeitraumes ohnehin schon der Fall ist, muss das Pensionsalter allmählich angehoben werden. Zumal mit der Alterung ja auch steigende Gesundheits- und Pflegekosten einhergehen. Womit wir bei einem eigenen Kapitel angelangt wären.

Das Regierungsprogramm erwähnt dazu fast alles Erdenkliche, um doch extrem rätselhaft zu bleiben. Damit das zum Ausdruck kommt, sei an dieser Stelle ein kompletter Punkt zur Pflegefinanzierung angeführt; und zwar ungekürzt, eins zu eins hierher kopiert: „Pflegeversicherung – Bündelung und Ausbau der bestehenden Finanzierungsströme aus dem Bundesbudget unter Berücksichtigung der demografischen und qualitativen Entwicklungen (z.B. Pflegegeld, Pflegefonds, Hospizausbau, Zweckzuschuss Regress, Förderung 24-Stunden-Betreuung, Pflegekarenz/Teilzeitgeld, Ersatzpflege, SV pflegender Angehöriger etc.), Einrichtung einer Taskforce „Pflegevorsorge“ – Bund-Länder-Zielsteuerungskommission zur Zielsteuerung, Abstimmung und Koordination aller Stakeholder unter anderem zur gemeinsamen Steuerung der Angebots- und Bedarfsplanung, Evaluierung Best-Practice-Beispiele, Ergebnisqualitätssicherung in den Bereichen häuslicher und stationärer Pflege und alternativer Wohnformen.“

Es bleibt ein Rätsel, wie Kurz so langfristig über die Runden kommen will. Zumal die nächste Wirtschaftskrise (leider) garantiert kommt und dann nicht einmal mehr die kalte Progression, die der Kanzler entgegen ursprünglicher Wahlversprechen weiterhin wirken lässt, ausreicht, um Einnahmen und Ausgaben unter Kontrolle zu halten.

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