Diskursverschiebung nach rechts

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KOMMENTAR. Die Kampagne gegen Justizministerin Zadić zeigt: Die Freiheitlichen werden noch extremer und die ÖVP traut sich nicht, mit der nötigen Deutlichkeit zu reagieren.

Nicht nur das Regierungsprogramm ist entscheidend, sondern auch die Frage, wer in der Regierung sitzt und welche Themen wie auf der Tagesordnung hält: Insofern hat Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) absolut recht, wenn er darauf hinweist, dass es einen Unterschied macht, dass nun er und seine Parteifreunde und nicht die Freiheitlichen am Ruder sind. Klimafragen erhalten damit einen ganz anderen, einen viel größeren Stellenwert. Darüber hinaus wird’s jedoch schwierig, hängt die ganze Geschichte auch von der ÖVP ab.

Und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ist bisher nicht so sehr damit beschäftigt, Signale an die politische Mitte, geschweige denn Linke auszusenden, sondern an Rechte. Er ist diesbezüglich ein Gefangener seines eigenen Erfolgs: Kurz hat Urnengänge mit einem rechtspopulistischen Zugang zu Migrationsfragen gewonnen. Ein Drittel der ÖVP-Wähler von heute kommt von FPÖ, BZÖ oder Team Stronach (Wählerströme 2017 und 2019 laut Sozialforschungsinstitut SORA). Will er sie halten, muss er wohl oder übel bei seinem Kurs bleiben und der FPÖ möglichst wenig Platz lassen. Beim Regierungsprogramm ist ihm das schon einmal gelungen – mit Abschiebezentren, Sicherungshaft und Ausweitung des Kopftuchverbots für Muslime.

Das ist rechtspopulistische Marschmusik, wenn man so will. Linke Klänge stehen dem kaum bis gar nicht gegenüber. Grund: Die Grünen haben den Fokus auf Klimapolitik gelegt und sie ist weder links noch rechts; sie lässt sich nicht verorten.

Die Diskursverschiebung wird schon von daher schwer für die Grünen. Dazu kommt, dass schon zur Angelobung klar ist, dass die Freiheitlichen in ihrer Not noch weiter nach rechts rücken – und sich die ÖVP nicht traut, entschlossen darauf zu reagieren.

Konkret: Was von Freiheitlichen seit Tagen gegen Justizministerin Alma Zadić betrieben wird, ist eine rassistisch unterlegte Kampagne: Ihre medienrechtliche und nicht rechtskräftige Verurteilung zu einer Entschädigungszahlung wird zu einer strafrechtlichen Verurteilung zu einer Geldstrafe gemacht, wie der „Kurier“ aufschlüsselt; der Anlass, der Kommentar „keine Toleranz für Neonazis, Faschisten und Rassisten“ zu einem Burschenschafter wird sowieso verschwiegen. Und überhaupt: „Erste muslimische Ministerin“ werde „abgefeiert“, twittert die FPÖ Steiermark: „Trennung von Staat und Religion egal?“

Worauf das hinausläuft? Die Freiheitlichen zündeln, lassen es auf eine Kriminalisierung mit dem Codewort „Muslime“ hinauslaufen. Und Sebastian Kurz? Erst wenige Stunden vor der Angelobung als Kanzler lieferte er eine Stellungnahme: „Ja es stimmt, dass @Alma_Zadic einmal erstinstanzlich MEDIENRECHTLICH zu einer Entschädigungszahlung verurteilt wurde“, twittert er, nachdem er im Ö1-Morgenjournal unmittelbar davor statt medien- noch strafrechtlich gesagt hatte: „Jedem kann einmal ein Fehler passieren. Ich kenne & schätze sie und halte sie für geeignet. Daher schlage ich sie dem Bundespräsidenten als Justizministerin vor.“

Eine adäquate Antwort? Nein: Was fehlt, ist eine unmissverständliche, deutliche Zurückweisung dieser religiös und rassistisch unterlegten Kampagne gegen Zadić. Darum geht es schließlich: So etwas darf im öffentlichen Diskus keinen Platz haben, findet es aber. Womit die erste Runde im Bemühen um eine Diskursverschiebung unterm Strich an die Freiheitlichen verloren geht.

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