ANALYSE. Kickl und Co. stellen die ÖVP nicht nur als mutlos und feig dar, sondern auch als Mehrheitsbeschafferin für Linke. Schwarz-Rot, so ihr Kalkül, könnte ihnen noch mehr Stimmen bringen.
FPÖ-Chef Hebert Kickl gibt sich nicht geschlagen. Der Mann wollte „Alles oder nichts“. Insofern wäre ein Verhandlungsabschluss mit der Volkspartei genauso ein Erfolg gewesen für ihn, wie es der nicht zustande gekommene ist. Darüber kann man sich wundern, es ist jedoch wichtig, es zu sehen: Mehr denn je wird Kickl jetzt versuchen, Wähler zu mobilisieren mit der Botschaft, dass man versuche, ihn als Kanzler zu verhindern, weil er bedingungslos „der Bevölkerung“ dienen wolle.
Vor zehn Jahren hätte er damit vielleicht ebenso viel Prozent erreicht. Heute ist jedoch allerhand anders, kann er 30, 35 Prozent holen damit. Und dann? Abwarten. Die ÖVP hat schon so viel ausgeschlossen und gebrochen, dass man nie sagen kann, was kommen wird.
Für die Volkspartei wäre eine Koalition unter Kickl gefährlich geworden. Er und seinesgleichen sind überzeugt, dass sie untergangenen wäre. Er und seinesgleichen gehen aber auch davon aus, dass sie als Mehrheitsbeschafferin untergeht, die sie für Linke sei; also für Sozialdemokraten und bisher Grüne.
Das geht aus einer Publikation hervor, die die Freiheitliche Bildungsakademie nach Beginn und vor dem Ende der Verhandlungen über eine schwarz-rot-pinke Koalition erstellt hat. In den vergangenen Jahren etwa habe sich die ÖVP „unter dem Applaus des linken Publikums“ von den Grünen „am Nasenring durch die politische Arena“ ziehen lassen: „Krönender Abschluss dieser jahrelangen Demütigungen, die die Grünen sichtlich genossen haben, war das für die heimischen Bauern katastrophale Ja von Klimaministerin Leonore Gewessler in Brüssel zum Renaturierungsgesetz.“
Natürlich: Schreiben und behaupten können Freiheitliche viel. Derlei ist jedoch dazu angetan, der ÖVP zuzusetzen. Wie sehr, kann man daraus ableiten, dass sie sich seit 2022, 2023 zunehmend bemüht hat, auf Distanz zu den Grünen zu gehen, ja dass sie 2024 sogar sichtbar mit ihnen gebrochen und eine Fortsetzung der Zusammenarbeit ausgeschlossen hat. Warum? Weil sie davon ausging, dass sie sonst noch mehr Wähler an die FPÖ verlieren würde.
Jetzt steht eine schwarz-rote Koalition im Raum, eine Zusammenarbeit der ÖVP mit der SPÖ. Wie bis Anfang Jänner (damals auch mit den Neos), als es für die Freiheitlichen vollkommen irrational war: Kickl schreibt in der Publikation sinngemäß von Mutlosigkeit und Feigheit. Das tut auch ein Autor, der meint, die ÖVP müsste sich eigentlich den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban zum Vorbild nehmen. Dieser habe sich „mit dem linken tiefen Staat angelegt und seine Macht weitgehend zurückgedrängt“. Ja, die ÖVP müsste „als konservative Partei (ebenfalls) eine Orbanisierung Österreichs anstreben; zumal ihr mit der WKStA ein Teil eines linken Staates zusetze. Stattdessen werde sie jedoch „gemeinsam mit dem ewiggestrigen Marxisten Andreas Babler eine Regierung zum Schaden des Landes bilden, nicht aus Überzeugung, sondern aus bürgerlicher Feigheit.“
Verrückt das Ganze? Das ist hier nicht der Punkt. So ticken Kickl und Co. Sie setzen darauf, so eine Volkspartei, die sich unsicher in der Mitte gibt und im Zweifelsfall um ein Vielfaches lieber rechts als links davon, weiter schwächen zu können. Bei der jüngsten Nationalratswahl haben sie ihr schon über 400.000 Wähler abgenommen.