Allenfalls hart

-

ANALYSE. Österreich kommt in der Zuwanderungs- und Integrationsdebatte nicht vom Fleck.

Man kann der SPÖ viel vorwerfen, nicht aber schlicht, dass sie in der Migrations- und Integrationspolitik weltfremde Vorstellungen habe, wie es in einem „Presse“-Leitartikel heißt, als hänge sie lauter naiven Ideen von gestern an: In einem „Masterplan“ von ihr wird beispielsweise gefordert, Asylverfahren nicht in Österreich, sondern in Anlaufstellen entlang der EU-Außengrenze durchzuführen. In ihrem Wahlprogramm steht wiederum zu Personen, bei denen „die Integration einfach scheitert“: „Wer schwere Straftaten begeht oder wiederholt leichte Verbrechen verübt, dem muss mit der vollen Härte unseres Rechtsstaats begegnet werden. Das reicht von hohen Haftstrafen bis hin zur Abschiebung, wenn diese im Rahmen unseres Rechtsstaats möglich ist.“

In der Praxis sieht man in Wien, das länger rot-grün geführt war und es heute rot-pink ist, dass weniger ein naiver als ein anpackender Zugang herrscht in Bezug auf Zuwanderung und Integration. Wenn man bedenkt, dass die Bevölkerung seit 2010 um über 300.000 bzw. mehr als jene von Graz gewachsen ist, kann man sich jedenfalls wundern, wie gut hier vieles funktioniert. An Schulen etwa gibt es Probleme. Sie aber werden nicht verschwiegen. Es ist klar, dass hier Kapazitätsgrenzen überschritten sind, wie man so sagt.

Vielleicht müssten Sozialdemokraten einen „Migrationsstopp“ fordern, dass man ihnen abkauft, nicht weltfremden Vorstellungen anzuhängen. Sehr wahrscheinlich müssten das auch Grüne tun, damit ihnen ebenfalls geglaubt wird. Im politischen Diskurs gilt jedenfalls eher nur als glaubwürdig, wer hart ist.

Die Betonung liegt auf „eher“: Es ist zum Beispiel auffallend, dass es um Vorarlberg, dem Bundesland mit dem zweithöchsten Nicht-EU-Bürger-Anteil, so ruhig ist bei solchen Fragen. Dass es da nie heißt, die Alemannen seien vollkommen verrückt, dass sie so viele Fremde zuwandern lassen haben. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass seit Martin Purtscher, einem ÖVP-Landeshauptmann in den 1980er und 1990er Jahren, ernsthaft Integration betrieben wird. Dass in einer eignen Institution namens „Okay, zusammen leben“ nüchtern analysiert wird, was geht, was getan werden muss und wo es Schwierigkeiten gibt.

Anstatt sich gegen Schwierigkeiten zu wehren und das letztlich allein die Migranten spüren zu lassen, indem man ihnen zeigt, dass sie nicht willkommen sind, dass sie sich keine Hoffnung auf Hilfe, geschweige denn eine Einbürgerung machen sollen. Wobei man gar nicht merkt, was man damit anrichtet; nicht nur bei sogenannten Minderqualifizierten: Österreich gilt gerade auch unter Fachkräften als Land, das nicht besonders attraktiv ist.

In dem erwähnten „Presse“-Artikel wird im Übrigen US-Vizepräsident J.D. Vance recht gegeben. Und zwar in Bezug auf dessen rhetorische Frage in München, wer die Bürger eigentlich gefragt habe, ob sie die bestehende Form der Massenmigration wollten. Darauf müsse man kleinlaut mit „Niemand“ antworten, es erkläre den Aufstieg der Rechtspopulisten.

Wirklich? Diese Erzählung ist zu einfach. Über die Hunderttausenden, die in den vergangenen Jahren aus Syrien und Afghanistan nach Europa und Österreich gekommen sind, gab es keine Abstimmung. Genauer: Konnte es zunächst keine geben. Man hätte ausschließlich die Grenzen schließen und sie außerhalb dieser ihrem Schicksal überlassen können.

In Wirklichkeit konnte man hier nichts kontrollieren, sich nur den Herausforderungen stellen. Was nicht heißt, dass es in weiterer Folge notwendig war und ist, sich um eine Rückgewinnung von möglichst viel Kontrolle zu bemühen. Durch ein Abkommen mit der Türkei etwa oder durch Engagement vor Ort bzw. durch außen- und entwicklungspolitische Akzente, am besten nicht nur bilateral, sondern auch über die EU, über die man eine größere Hebelwirkung erzielen könnte. Wenn man wollte.

Genau das aber lehnen Rechtspopulisten ab. Siehe blau-schwarzes Verhandlungsprotokoll: Reduktion der Entwicklungszusammenarbeit sowie (FPÖ-Wünsche) Asylstopp und Legalisierung von Push-Backs an Außengrenzen. Als würde das irgendein Problem lösen. Es würde allenfalls für „hässliche Bilder“ sorgen, ohne die es „nicht gehen“ werde, wie Sebastian Kurz einmal gesagt hat, um gezielt Härte zu demonstrieren.

dieSubstanz.at ist ausschließlich mit Ihrer Unterstützung möglich. Unterstützen Sie dieSubstanz.at gerade jetzt >

dieSubstanz.at – als Newsletter, regelmäßig, gratis

* erforderliche Angabe


Könnte Sie auch interessieren

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner