ANALYSE. Führende Politiker bis hin zum Außenminister haben sich in der Vergangenheit an der deutschen Kanzlerin ausgelassen. Sie müssen sich auf einen Canossagang vorbereiten.
Man kann davon ausgehen, dass Angela Merkel nicht zu den Verliererinnen der Bundestagswahl am kommenden Sonntag gehören wird. Viel eher wird das Gegenteil der Fall sein. Und dann haben wir Österreicher ein kleines Problem: Führende Politiker bis hin zum Außenminister haben sich bis zuletzt an der deutschen Kanzlerin ausgelassen. Wobei es die Sache nicht besser macht, dass dies überwiegend innenpolitisch motiviert war; das schwächt die Herrschaften auf dem internationalen Parkett eher noch mehr, zeigt es doch, dass mit ihnen keine gesamteuropäische Politik zu machen ist.
Wie auch immer: Dass FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache Merkel im vergangenen Oktober wörtlich als „gefährlichste Frau Europas“ bezeichnet hat, wäre im Hinblick auf die bilateralen Verhältnisse vielleicht noch verkraftbar. Was soll man von einem Rechtspopulisten auch anderes erwarten? Dass aber auch Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP), noch dazu in deutschen Medien, Merkel mehrmals ob ihrer Flüchtlingspolitik kritisiert hat, ist ein anderes Kaliber (Beispiel 1, Beispiel 2, Beispiel 3). Wobei Halbstarke darüber hinwegschauen und sogar finden mögen, dass es „super“ war, dass er da auf diplomatische Gepflogenheiten gepfiffen und seine Meinung so richtig deutlich zum Ausdruck gebracht hat. Diese Leute werden sich aber auch nicht mit den möglichen und tatsächlichen Folgen auseinandersetzen: Erstens, Merkel wird in Kurz keinen Partner sehen. Zweitens, sie hat ihren Kurs einfach unbeirrt fortgesetzt. Und drittens gewinnt sie unter Umständen auch noch eine Wahl – und wird damit gestärkt. Womit man wieder das Wörtchen „super“ einstreuen könnte. Diesmal aber im dem Sinne, dass wir die jetzt die Bescherung haben: „Na super!“
In der SPÖ schaut die Sache nicht besser aus: Christian Kern mag sich gegenüber Merkel zurückgehalten haben. Aber der rote Mann fürs Grobe, Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil tat es nicht: Er warf ihr vor, „unverantwortlich“ agiert zu haben. Was Kern wenig später in einer eher peinlichen Art und Weise korrigieren musste: „Ich bin nicht der Meinung, dass Frau Merkel verantwortungslos gehandelt hat.“
Nach der Bundestagswahl wird dem einen oder anderen österreichischen Politiker ein Canossagang nach Berlin also nicht erspart bleiben. Man kann Merkel und ihr Land schließlich nicht ignorieren. Sofern man an einer vernünftigen EU-Reform interessiert ist, ist eine solche nur mit ihr möglich. Und überhaupt: Ein Drittel des Außenhandels findet mit Deutschland statt; da kommt man letzten Endes nicht umhin, sich konstruktiv um ein ordentliches Verhältnis zu bemühen.
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