Was Nehammer Sorgen machen könnte

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ANALYSE. Die ÖVP setzt auf die falschen Themen – und kann so die Wählerabwanderung an die FPÖ nicht stoppen.

In Salzburg ist am vergangenen Sonntag ein Fünftel der ÖVP-Wähler:innen des Jahres 2018 zu den Freiheitlichen gewechselt. Das erklärt den prozentuellen Verlust der Partei denn auch schon im Wesentlichen. Weder Bundesobmann, Kanzler Karl Nehammer noch Generalsekretär Christian Stocker scheinen das jedoch ernst zu nehmen. Nehammer lenkt lieber ab und betont, dass ihm der Erfolg der Kommunisten Sorgen mache; und Stocker betont, dass es keine Auswirkungen für die Bundespartei gebe. Na dann: Gute Nacht.

An die KPÖ von Kay-Michael Dankl mag die ÖVP weniger schmerzlich verloren haben als es Sozialdemokraten, Grüne und Neos getan haben. Eine Volkspartei, die gerade in den Ländern eine Massenpartei sein möchte, darf das jedoch nicht ausblenden. Zumal es Dankl und seine Leute mit ihrem Programm schwer bis unmöglich machen, sie als Kommunisten wahrzunehmen. Es ist eher so, dass sie Problemen gerecht werden, die in größeren Teilen der Gesellschaft als solche wahrgenommen werden.

Ganz brutal formuliert: Während sich die ÖVP im niederösterreichischen Regierungsprogramm darauf einließ, das erste Kapitel Corona zu widmen und das letzte Wohnen, steht im KPÖ plus-Programm in Salzburg Wohnen ganz vorne und Gesundheit und Pflege (nicht Corona) nach Energie an dritter Stelle. Inhaltlich geht es beim Wohnen vor allem darum, die Wohnbauförderung nicht zweckzuentfremden, sondern für leistbares Wohnen einzusetzen.

Nicht, dass die ÖVP dieses Kapitel kopieren müsste. Ein Spekulationsverbot würde ihr wohl zu weit gehen. Es ist jedoch so, dass sie den Problemen gerecht werden könnte. Anders ausgedrückt: Es ist fatal für sie, wenn sie nur den Eindruck hinterlässt, eine Mietpreisbremse verhindert zu haben und im Übrigen die Abschaffung der Grunderwerbsteuer gefordert zu haben. Das wirft die Frage auf, in welcher Welt Nehammer und Co. eigentlich leben: Ob ein Haus mit kleinem Garten in einem Ballungsraum 600.000 Euro oder ein bisschen weniger kostet, ist für eine Masse auch schon egal. Grundsätzlich steigende Immobilienpreise haben den da und dort noch vorhandenen Traum vom Eigenheim in Verbindung mit zunehmenden Finanzierungskosten erledigt. Punkt, aus, vorbei.

Die ÖVP will jedoch nicht nur das nicht wahrhaben. Vor allem auch Nehammer setzt auf den Erhalt von Verbrennungsmotoren und eine Bekämpfung dessen, was er als illegale Migration bezeichnet. Potenziellen FPÖ-Wählern signalisiert er damit, dass er ihre Sorgen nicht ernst nimmt. Auch für sie ist Teuerung die größte Herausforderung, mit der es umzugehen gilt.

Weit vorne steht bei ihnen laut SORA-Wahltagsbefragung bemerkenswerterweise auch das Thema Korruption. Konsequenzen aus der Ibiza-Affäre werden sie damit kaum meinen. Es geht wohl eher um das, was von Sebastian Kurz geblieben ist: Enttäuschte Hoffnungen, die er geweckt hat. Nicht für die Menschen in Österreich hat er gearbeitet, sondern für sich und seine Partie, so ein verbreiteter Eindruck. Nehammer lässt das stehen, indem er keinen Neubeginn in der Partei wagt und auch die Notwendigkeit ignoriert, ernstgemeinte Korruptionsbekämpfung vorzunehmen.

In Niederösterreich hat man gesehen, dass auch eine vermeintlich starke und gut aufgestellte ÖVP-Organisation wenig bis keine Ahnung von den Stimmungslagen im Land haben kann. Bei der Bundesorganisaton muss man davon ausgehen, dass sie das noch weniger tut. Sie geht vielmehr davon aus, dass ihr mit ein paar Steuerentlastungen sowie Einmalzahlungen und flächendeckenden Werbekampagnen dazu auch schon Wählerstimmen zufliegen. Das ist ein Irrtum. Es ist Politik von oben nach unten. Es kommt gefühlsmäßig nicht an. Vielleicht würde man mit einem Bruchteil des Geldes einen ungleich größeren Zuspruch erzielen, wenn man zunächst ein offenes Ohr signalisieren würde. Wenn man immer wieder durchs Land fahren und die Leute ständig einladen würde, zu sagen, wie’s ihnen geht. Es wäre Politik von gestern, die offenbar aber in Vergessenheit geraten ist in Parteien wie der ÖVP.

Und bei SPÖ, Grünen und Neos? Dazu in weiterer Folge.

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