Was Doskozil antreibt

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ANALYSE. Der burgenländische Sozialdemokrat peilt eine Koalition mit den Grünen an und führt nebenbei Blaue wie Schwarze im Land vor.

Die Grünen sind in den vergangenen Jahren aus einer Landesregierung nach der anderen geflogen. Im Moment sind sie, wenn man Oberösterreich weglässt (schwarz-blaue Koalition, aber Proporzsystem), in keiner mehr vertreten. Dazu gekommen ist es auch, weil sie von ihren jeweiligen Partnern als Belastung wahrgenommen wurden. In Wien war es die SPÖ von Bürgermeister Michael Ludwig leid, dass sie zum Beispiel gegen den Lobau-Tunnel agieren. In Vorarlberg hatte die ÖVP von Landeshauptmann Markus Wallner genug davon, dass sie gegen die Errichtung einer Straße über Äcker und Wiesen im Rheintal auftreten.

Vor allem aber glaubte man, mit den Grünen an der Seite Wähler zu verlieren, die man eigentlich ansprechen möchte. Leute, die in Klimaaktivisten das größere Problem sehen als in der Klimakrise. Oder in einer geschlechteregerechten Sprache überhaupt das größte Übel der Zeit orten – und daher blau wählen.

Umso bemerkenswerter ist, dass der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) jetzt eine rot-grüne Koalition anstrebt. Ausgerechnet er, dem man eher eine Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen zugetraut hätte.

These: Wenn er schon nie Bundesparteichef werden dürfte, dann versucht er jetzt wenigstens zu zeigen, was er draufhat. Dazu gehört, Freund und Feind zu überraschen, ja vorzuführen.

Durch eine Koalition mit den Grünen riskiert er wenig: Im Burgenland stehen schon Windräder, ist man stolz drauf. Über ein Spitalsprojekt in einem Natura 2000-Gebiet am Rand der Kleingemeinde Gols (Seewinkel) wird man sich wohl einigen können. Das ist das eine.

Das andere ist die Art und Weise, wie Doskozil argumentiert, dass es aus seiner Sicht weder mit Blauen noch mit Schwarzen geht. Was die FPÖ betrifft, deren Obmann Norbert Hofer er persönlich schätze, sehe er das Problem, dass die Partei mit Unwahrheiten und Falschmeldungen die Bevölkerung verunsichere. Und dass Hofer es nicht geschafft habe, dem Einhalt zu gebieten. Dass er, Doskozil, keine Politik haben wolle, „bei der wir die Bevölkerung spalten“.

Eine Zusammenarbeit mit der ÖVP wiederum wäre laut Doskozil zwar im Interesse der Wirtschaft und der Landwirtschaft, aber auch der vielen schwarzen Gemeinden gewesen. Allein: Die nötige Stabilität in ihren Reihen sei derzeit nicht gegeben. Das war eine Anspielung auf die Obmanndebatte, die in der Volkspartei läuft.

Hier agiert ein Sozialdemokrat im Kleinen (Eisenstadt) so selbstbewusst, wie es viele Genossen von ihm wohl gerne auch im Größeren, also auf Bundesebene, sehen würden: Blaue abkanzeln und Schwarzen de facto mitteilen, dass sie im Moment nicht regierungsfähig seien. Vielleicht ist genau das auch etwas, was Doskozil antreibt und was er vermitteln möchte.

Der Haken: In der Bundespolitik könnte vieles davon nicht funktionieren. Doskozils Kurs geht im Burgenland auf, weil er ihn aus einer starken Position heraus fahren kann. Österreichweit wäre er mit ungleich stärkeren Mitbewerbern konfrontiert, könnte allein also weniger durchsetzen und würde wohl überhaupt bei Leuten in den Städten anstehen, die Mitte-Links verortet sind: Er ist der Sozialdemokrat, der nach rechts ausstrahlt, der es schafft, dass Kickl-Wähler von der Nationalratswahl bei der Landtagswahl ihn bzw. die SPÖ unterstützt haben.

Zweitens: Als Doskozil vor eineinhalb Jahren kurz davor stand, SPÖ-Bundesparteivorsitzender zu werden, hat er als Ziel eine Koalition ohne FPÖ und SPÖ, aber mit Neos und Grünen definiert. Schaut man sich an, wie Kickl die FPÖ seit 2021 – aufbauend auf einer Anti-Ausländer-Bewegung – auch zu einer Anti-Corona-Maßnahmen-Bewegung und einem Angebot für Menschen gemacht hat, die das Gefühl haben, dass sich die allgemeinen Verhältnisse verschlechtern, ist schwer vorstellbar, dass Doskozil dieses Ziel im Zuge der jüngsten Nationalratswahl auch nur annähernd erreicht hätte. Allenfalls wären die schwarz-rot-pinken Koalitionsverhandlungen anders verlaufen oder überhaupt rot-schwarz-pinke gewesen. Darüber zu spekulieren ist jedoch müßig. Auch weil er in genau dieser Zeit zu einem wiederholten Mal wegen einer Operation für mehrere Wochen ausgefallen ist.

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