BERICHT. In der ÖVP ist Raiffeisen ein Faktor: Immerhin ist das heute so transparent wie noch nie.
Es wirkt wie eine Revanche von Herbert Kickl (FPÖ): ÖVP-Chef Christian Stocker hat vergangene Woche erklärt, seine Partei müsse vom rechten Rand zur Mitte rücken, damit es zu einer Koalition kommen könne. Wenig später meldete die „Krone“, Freiheitliche würden bei den Koalitionsverhandlungen die Einführung einer Bankenabgabe fordern. Das ist insofern brisant, als Stocker-Vorgänger Karl Nehammer Sozialdemokraten unter Führung von Andreas Babler Anfang Jänner gewissermaßen vor die Tür gestellt hat, weil sie auf einer solchen bestsanden haben sollen. Und weil das beim Wirtschafts- und Bankenflügel der ÖVP nie und nimmer durchzubringen gewesen wäre.
Das ist Brutalität: Stark vereinfacht ausgedrückt ist die Volkspartei jetzt also nicht nur dabei, das Kanzleramt abzugeben und ausgerechnet Herbert Kickl, den sie immer abgelehnt hat, ebendort zu bekommen; nein, ihr droht mit diesem auch noch ein veritables Abgabenproblem. Beziehungsweise ein Problem mit eigenen Lobbys.
Die Beziehung der ÖVP zu einer Bank ist speziell. Gemeint ist Raiffeisen bzw. der gleichnamige Sektor. Auf der Seite „Meine Abgeordneten“ werden ein paar Polit-Netzwerke dargestellt. „Burschenschaften“ etwa, zu denen ausschließlich freiheitliche Regierungsmitglieder und Abgeordnete auf Bundesebene und in den Ländern zählen. Oder ÖGB/Gewerkschaften, denen überwiegend Sozialdemokraten angehören.
Und „Raiffeisen“. Diesem Netzwerk sind 28 Politikerinnen und Politiker zugeordnet, neben einem Freiheitlichen und zwei Sozialdemokraten handelt es sich um 25 ÖVP-Leute. Zum Beispiel um den Nationalratsabgeordneten Johannes Schmuckenschlager, der laut Transparenzangaben entgeltlich für den Raiffeisen Reivisionsverband NÖ-Wien tätig ist sowie ehrenamtlich im Genossenschaftsvorstand der Raiffeisen-Holding NÖ-Wien sitzt.
Obmann ist hier Erwin Hameseder, seines Zeichens auch Generalanwalt des Österreichischen Raiffeisenverbandes und Milizfunktionär – sowie als solcher Mitglied des Regierungsverhandlungsteams der ÖVP. Vergleichbares hat es, wenn überhaupt, dann noch selten gegeben bisher. Irgendwo gibt’s schließlich Grenzen, die dazu dienen, Interessenskonflikte nicht einmal entfernt möglich erscheinen zu lassen.
Im Verhandlungsteam der Partei ist auch Clemens Niedrist, Generalsekretär der Raiffeisen-Holding NÖ-Wien. Er war einst Kabinettschef unter Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) und gilt heute selbst als Kandidat für ein Ministeramt.
Wie besonders das Verhältnis zwischen der ÖVP und der Bank mit all ihren Teilen ist, erkannt man auch daran, dass im Rechenschaftsbericht der Partei für das Jahr 2023 das Stichwort „Raiffeisen“ nicht weniger als 42 Mal vorkommt. Der Raiffeisenverband bezahlte demnach stolze 100.000 Euro Parteimitgliedsbeitrag (!). Abgesehen davon flossen Spenden- und Sponsoringgelder. Zum Beispiel 60.000 Euro von der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich an den dortigen Bauernbund sowie 5000 Euro an die Junge ÖVP in Oberösterreich. Nachwuchspflege, sozusagen.
Wenig verwunderlich, dass die Partei auch Kredite grundsätzlich bei der Raika aufnimmt bzw. im Falle der Bundesparteiorganisation durchwegs bei der Raiffeisenbank International, wie dem Rechenschaftsbericht ebenfalls zu entnehmen ist.